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Kölner Ethnologische Beiträge Bd. 1-50

Herausgeber: Michael J. Casimir

ISSN 1611-4531

Institut für Ethnologie, Albertus Magnus Platz, D 50923 Köln
Email: m.casimir@uni-koeln.de


Über die Jahre hat sich immer wieder gezeigt, dass viele Magister-, Master- und Bachelorarbeiten neues Material vorstellen und interessante Ergebnisse zeigen. In wohl jedem Institut in Deutschland finden sich zahlreiche Abschlussarbeiten, die es wert sind, einem breiteren Interessentenkreis zugänglich gemacht zu werden, was in besonderem Maße für Arbeiten gilt, die auf Feldforschungen beruhen. Somit entstand die Idee zu einer Reihe, die dem Rechnung trägt und die unter dem Titel "Kölner ethnologische Beiträge" herausgegeben wird.

Prinzipiell können aber auch andere Arbeiten in dieser Reihe erscheinen, die auf Forschungen an unserem Institut beruhen.

Kölner Ethnologische Beiträge Bd. 1 - 50

Kölner Ethnologische Beiträge Bd. 51 - ff

Bei der vorliegenden Arbeit von Sonja Esters, die von Frau Prof. Dorothea Schulz betreut wurde, handelt es sich um eine  Ethnographie Kölner Nachtclubs und Lokale, in denen Schwarze Männer und Weiße Frauen Kontakt  miteinander aufnehmen. Sie  beschreibt wie diese Orts-und ‚Nachtzeit‘-spezifischen Formen der sozialen Interaktion gesellschaftliche Machtverhältnisse, insbesondere in Bezug auf geschlechtsspezifische und ethnisch markierte Differenz, wiederspiegeln, reproduzieren  und/oder in Frage stellen. Diese Fragestellung ist hochaktuell und die zu ihrer Bearbeitung vorgeschlagene Forschungsperspektive innovativ, da sie neben den Themen Rassismus und Illegalität auch die Themen Migration, europäische Diaspora,  Globalisierung berührt und sie darüber hinaus Ansätze aus der Critical-Whiteness-Debatte und die ‚Bourdieuschen Konzepte der ‚Distinktion‘ und des ‚Geschmacks‘ bei der Erfassung einer nächtlichen ‚Ökonomie‘ der Gefühle und der sexuellen Anziehung einsetzt. Zudem verspricht die Arbeit, einen wichtigen Beitrag zu einer – bisher kaum existierenden – Ethnologie des städtischen Nachtlebens beizutragen. Ausgehend von der Feststellung, dass es kaum empirisch fundierte Arbeiten zur Situation afrikanischer MigrantInnen in Deutschland gebe,  kritisiert Sonja Esters überzeugend die kulturalistischen Tendenzen, die  vielen soziologischen Arbeiten zu interethnischen Partnerschaften  zugrunde liegen und sich in der (nicht problematisierten) Annahme von feststehenden  kulturspezifischen Identitäten zeigen. Dagegen begründet die Autorin die beobachteten Praktiken aus einer machtkritischen Perspektive. Unter Rückgriff auf Nagels Begriff der ‚ethnosexual frontiers‘ argumentiert Esters, dass die beobachteten Praktiken vor dem Hintergrund eines hegemonialen gesellschaftlichen Diskurses stattfinden, der farb- und genderspezifische Rollenerwartungen und  Handlungsmöglichkeiten festlegt bzw. vorstrukturiert. Als eine Arbeit, die wissenschaftliche Debatten zur Konstruktion von Männlichkeit, Ethnizität mit den ‚Critical Whiteness Studies‘ einerseits, und Cultural Studies  Ansätzen in der Tradition der ‚Birmingham Cultural Studies School‘  andererseits zusammenbringt, zeigt diese Magisterarbeit, wie eine  ethnologische Feldforschung, die im multikulturellen Köln angesiedelt ist, empirisch fundiert zur sozialwissenschaftlichen Ansätzen innerhalb der Diaspora Studies beitragen kann.

Esters, Sonja: Schwarz-Weiß im Dunkeln. Zur Aushandlung von Gender, Hautfarbe und Ethnizität in Kölner Tanzclubs.

In social sciences, intercontinental migration is often seen as a phenomenon of South-North mobility or increasingly as a phenomenon of South-South mobility. In fact, the majority of intercontinental / interregional mobility is taking place between Africa and Asia, as well as between East and South Asia and the Middle East. The migration from the Global South to the North is roughly similar. Both migratory flows are also extensively examined by social anthropologists. Very rare subjects of anthropological
research are migrations from the Global North to the Global South. While settlers emigrated from the urban centres and detached rural areas a hundred years ago as emigrants to the colonies of the empires, today it is often individualists who follow this path. It is this latter form of migration that Caterina Reinker dedicates her work to. Reinker examines perspectives and identities of German migrants in Cape Town. These
are not migrants who leave their homes without means and / or without perspective. The work, which is based on several months of field work in Cape Town, and which was supervised by Prof. Dr. Michael Bollig, deals with people who emigrate to the South in the search for a fulfilled life (whatever that is to be understood). Some do this with temporary aspirations, some actually emigrate permanently and rule out a return to
Germany. However, it seems more likely that options for a return to Germany are retained. None of Reinker’s interviewees had given up their German passport, and for some, the mind game with a possible return is identity forming. Reinker focusses on the design of the vitality of German migrants in a Cape Town district, which is considered to be particularly German and therefore bears the name "Sauerkraut Hill” in the vernacular.
Reinker's master thesis provides an important contribution to completing our understanding of global migration. In addition to the large, much-discussed and even more frequently problematized migratory flows, these quantitatively much smaller movements also link the network of global relations.

Reinker, Caterina: "Life on Sauerkraut Hill". Representation and Practices of Freedom and Constriction among German Immigrants in Cape Town, South Africa.

This volume engages with the Fallist student protests of 2015/16 and the demand for a decolonized system of education in post-apartheid South Africa. It is based on Doreh Taghavi’s MA thesis, which was supervised by Prof. Michaela Pelican and supported with a research grant of the Thematic Network ‘Remapping the Global South - Teaching, Researching, Exchanging’ of the Global South Studies Center Cologne (GSSC). Doreh Taghavi’s study sheds light on the experiences, motivations, and visions of Fallist student actors, and provides the reader with a nuanced  understanding of the need for educational reform in South Africa. It is based on empirical research conducted in Cape Town from October to December 2016, with a focus on the perspectives of student actors and the events at the University of Cape Town (UCT). Three research  questions were at the heart of the study: What were Fallist students’ experiences of their primary, secondary, and tertiary education? How did the Fallist movements unfold and what are their demands? What do student actors mean by decolonization of education, and what would such a decolonized education – and by extension a decolonized South African society – look like? Doreh Taghavi argues that current student protests
in South Africa have to be seen in the light of South Africa’s apartheid history and its uneven educational system which has disadvantaged large parts of the population on the grounds of race, socioeconomic status, ability, sexuality, gender identification, and their intersections. Fallist student actors envision a more just and appropriate system of education which provides them not only with useful skills and chances to further their own career, but to help their families and communities, and to position (South) Africa in its rightful intellectual place.

Taghavi, Doreh: Exploring fallism. Student protests and the decolonization of education in South Africa.

Die vergangenen drei Dekaden waren in vielen Teilen der Welt durch eine Revitalisierung traditioneller Ernährungspraktiken, vor allem aber durch die Globalisierung bislang nur regional oder gar lokal genutzter Nahrungsmittel geprägt. Dabei spielte der Reiz der Exotik sicherlich eine Rolle aber auch Erwägungen zu einer gesunden, ausgewogenen Ernährung waren bedeutsam. Exotische „Superfoods“ werden heute in den Regalen unserer Reformhäuser und Bioläden und zunehmend auch in den Auslagen der großen Warenketten zum Verkauf angeboten. Quinoa gehört zu dieser Gruppe von Nahrungsmitteln, die erst in jüngster Zeit für den westlichen Markt entdeckt wurde. Glutenfrei, mit wichtigen Aminosäuren und anderen wichtigen Bestandteilen ausgestattet, wird Quinoa als das einzige Getreide angepriesen, mit dem Menschen überleben können (nur zusätzlich mit Wasser ausgestattet). Zudem wird Quinoa durch andine Staaten (vor allem Bolivien) zunehmend intensiv auf dem Weltmarkt vermarktet. Große Anteile der jährlichen Quinoaernte gehen in den Export, so dass sich intern Preise für das Getreide vervielfacht haben. Zeitgleich wird bei der Vermarktung auf die Verwurzelung des Getreides in der indigenen andinen Kultur abgehoben. Katharina Hagers MA Arbeit, die von Prof. Dr. Michael Bollig betreut wurde, nimmt diese komplexe Problematik anspruchsvoll und eigenständig auf. Die Arbeit beruht auf einer dreimonatigen Feldforschung in Cochabamba, Bolivien und sehr umfassenden Literaturrecherchen zu der Thematik. Geschichte und der rezente Aufstieg Quinoas zum „Kaviar der Anden“ werden dargestellt. Das vormalige Arme-Leute Essen wird heute zunehmend in andinen Gourmet-Küchen berücksichtigt.

Hager, Katharina: Vom Arme-Leute-Essen zum andinen Superfood. Quinua in Bolivien im Spannungsfeld zwischen Revitalisierung, Ernährungssicherung und internationalem Quinuaboom.

Der vorliegende Band ist in gewisser Weise „außer der Reihe”, da es sich nicht wie bei vielen Heften dieser Reihe um eine Abschlussarbeit oder ein anderes direktes Produkt des Kölner Instituts für Ethnologie handelt. Andererseits ist diese Arbeit in dieser Reihe sehr gut aufgehoben, da der Autor viele Jahre im Kölner Institut gearbeitet hat und hier durch seine Habilitation die Venia Legendi in Ethnologie verliehen bekommen hat. Der vorliegende Text ist die  ausgearbeitete Version des Vortrages, der am 29.6.2015 zum Antritt auf die Professur für die  Kulturanthropologie Afrikas gehalten
wurde. Diese Professur ist im Institut für Afrikanistik und Ägyptologie der Universität zu Köln angegliedert und der Vortrag erlaubt eine ethnologisch/anthropologische  Standortbestimmung der kulturwissenschaftlichen Afrikanistik heute. Wie alle regionalwissenschaftlich ausgerichteten Fächer steht auch die  Afrikanistik in einem Spannungsverhältnis zwischen dem Anspruch, auf systematische Fragestellung wie dem Verhältnis des Menschen zum Staat eine Antwort zu geben, und der Herausforderung, dies in Anerkennung der Tatsache zu tun, dass diese Fragen sinnvollerweise im Kontext der  unterschiedlichen lokalen Ausprägungen zu beantworten sind. Der vorliegende Beitrag meistert diese Herausforderung durch eine  Anwendung von praxistheoretischen Ideen, oder durch das, was wir inzwischen „praxeologische Theorie” nennen. Ausgangspunkt sind dabei die Handlungen der Akteure in ihren sozialen Beziehungen, im vorliegenden Fall die Handlungen, die gewichtige und bestimmende Größen wie den „Staat” erst schaffen und erfahrbar, greifbar machen. Die theoretische Kernidee ist, dass soziale und kulturelle Praxis nicht die ausführende Ausübung von vorformulierten Ideen, Strukturen oder Werten ist, sondern dass sie diesen „vorgelagert” ist, d. h. erst die Praxis schafft die Realitäten, die dann wiederum ihre eigene Wirkmächtigkeit entfalten und uns zu „Staatsmenschen” machen. Wenn wir den Staat in seinen
unterschiedlichen Ausprägungen verstehen wollen, dann über die wiederholten, weitgehend alltäglichen Handlungen der Menschen, die oft übersehen werden. Der Schwerpunkt liegt im vorliegenden Beitrag auf dem Verhältnis von Staat und Menschen in Afrika, wo dieser Prozess gut zu beobachten ist, weil in vielen Situationen staatliche Einrichtungen erst
seit relativ kurzer Zeit eine bestimmende Rolle eingenommen haben und diese Rolle im Leben der Menschen mitunter nur prekär wahrnehmen. Durch das Nebeneinanderstellen von afrikanischen und nicht-afrikanischen Beispielen verweist die Arbeit von Thomas Widlok aber auch auf Kontinentübergreifende, universelle Prozesse und auf die Notwendigkeit, die sozial- und kulturanthropologische Afrikanistik über die Grenzen eines geographischen Kontinents hinaus zu begreifen und auszuüben.

Widlok, Thomas: Wir Staatsmenschen. Das Feld, die Stadt und der Staat in der Kulturanthropologie Afrikas.

Heft45

Der von Prof. Michael Bollig betreuten Bachelorarbeit gelingt es, den schillernden und zunehmend verwandten Begriff "Anthropozän" wissenschaftshistorisch und epistemologisch zu durchleuchten. Der Begriff hat momentan zweifelsohne Konjunktur: er wird verwandt, um die Auseinandersetzungen des Menschen mit seiner Umwelt im 21. Jahrhundert zu markieren, wird genutzt, um die Durchdringung der "Natur" durch den "Menschen" im Zeitalter des Globalen Klimawandels zu fassen und wird herangezogen, um die Bedrohung der natürlichen Umwelt durch den Menschen zu betonen. Zuvorderst aber weist der Begriff darauf hin, dass eine Trennung von Mensch und Kultur so nicht mehr möglich ist. Menschliches Handeln ist in allen Umweltprozessen nachweisbar und sogar prägend.
Krämer baut ihre Argumentation sorgfältig und übersichtlich auf, stellt einführend die Entstehungsgeschichte des Begriffs dar und geht umsichtig auf wissenschaftliche Auseinandersetzungen um den Begriff ein. Sehr gut (und für die Arbeit prägend) arbeitet sie die zahlreichen "Anthropozän"-kritische Stimmen heraus. Diese sehen in dem Begriff einen Hinweis auf fortgesetzte Hybris des Menschen. Kontrolliert und beeinflusst der die natürlichen Stoffkreisläufe tatsächlich derartig nachhaltig? Oder sind seine Interventionen doch oft eher zufällig und die Resultate erratisch? Wer führte wann den Begriff ein? Wer zitiert wen? Was sind die Leitorgane der Anthropozän-Forschung? Krämer nutzt dabei die Werkzeuge, die das Web of Science anbietet und untersucht 770 Artikel, die den Begriff verwenden. Krämer kann zeigen, dass der Begriff tatsächlich erst in den vergangenen fünf Jhren tatsächlich umfassend und mit rascher Verbreitung genutzt wird. Nach der quantitativen Analyse untersucht Krämer einzelne Projekte, die sich um den Begriff herum gebildet haben: etwa das dänische Projekt "Aarhus University Research on the Anthropocene", an dem die renommierte Ethnologin Anna Tsing beteiligt ist und die Ausstellung des Deutschen Museums in München "Willkommen im Anthropozän". Vor allem in Kapitel 3 geht Krämer reflektiert auf die Kritik am Anthropozän-Konzept ein.

Krämer, Anna Kalina: Das "Anthropozän" als Wendepunkt zu einem neuen wissenschaftlichen Bewusstsein? Eine Untersuchung aus ethnologischer Perspektive zur Bedeutung und Verwendung des Konzeptes.

Heft44


The United Nations of Football engages with contemporary developments in professional football, in particular the recruitment of international players in national football teams. It scrutinizes these  developments in view of South-South mobility, international football politics, and the players’ sense of  identity and belonging. The study is based on a critical engagement with relevant theoretical  approaches in the fields of international migration and the anthropology of football and combines it  with empirical data derived from multi-sited fieldwork in Brazil and in social media networks. The study, supervised by Prof. Michaela Pelican, makes a valid contribution to the debate about the role of the  nation state in contemporary identity politics in the field of football migration. It stands out by its effort to integrate the perspectives of international institutions (FIFA), national governments and, importantly, individual players. Moreover, the study sheds light on a regional trajectory (Latin America – Africa) that,  so far, has been neglected in studies on football or migration. Moreover, it illustrates the limits of classical anthropological  fieldwork and attests to the need for innovative methodological approaches to studying mobile subjects in a highly mobile world.

Basic, Dusko : The United Nations of Football. South-South Migration, Transnational Ties and Denationalization in the National Football Team of Equatorial Guinea and Togo

Heft43


Seit mehreren Dekaden hat sich die Ethnologie der Problematik bewaffneter Konflikte zugewandt, wovon zahlreiche theoretische und empirische Untersuchungen zeugen, die in Zeitschriftenartikeln, Monographien und Sammelbände publiziert wurden. Bei diesen Arbeiten handelt es sich vornehmlich um Analysen innerstaatlicher Konflikte, die nicht selten bürgerkriegsähnliche Formen annehmen. Ob es sich um die Aneignung wertvoller Bodenschätze, Drogen oder um Machtansprüche, oft auch im Zusammenhang mit religiösen, politischen und/oder ethnischen Ideologien handelt, immer haben sich „Gewaltmärkte“ (Elwert 1996) entwickelt, die große Teile der Bevölkerung in Mitleidenschaft ziehen. Als Antwort auf diese internen, profitorientierten Konflikte kam es jedoch auch zunehmend zur Entstehung zivilgesellschaftlicher Organisationen, die sich bemühen die Spirale der Gewalt aufzuhalten, um zu einem friedlichen Miteinander zurückzukehren. Über diese Formen des gewaltfreien Widerstandes, ihre Strukturen und Methoden jedoch finden sich bisher fast keine ethnologischen Untersuchungen. Umso wichtiger ist die nun von Frau Mucha vorgelegte Arbeit, die während eines einjährigen Aufenthalts in Kolumbien entstand. Ihr ist es gelungen in Medellin, der Hochburg des kolumbianischen Drogenhandels und Paramilitarismus, Zugang zu zivilgesellschaftlichen Organisationen zu bekommen, die mit friedlichen Mitteln gegen die zunehmende Gewalt und soziale Marginalisierung in der Stadt kämpfen. Bei diesen Konflikten handelt es sich nicht nur um die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Banden, die um die Kontrolle über Territorium und Bevölkerung in den einzelnen Stadtvierteln (Comunas) kämpfen, sondern auch um die Konfrontationen zwischen diesen Banden und staatlichen sowie privaten Sicherheitskräften. Nach der theoretischen Einführung, in der die strukturellen Elemente friedlicher Widerstandsbewegungen, wie die politischen und sozialen Rahmenbedingungen, Probleme der Identitätsbildung und Schaffung einer kollektiven Identität dargestellt werden, folgt zunächst eine kurze Darlegung des aktuellen Forschungsstandes zum Widerstand in Kolumbien. Da das Forschen in einem Gewaltkontext wie in der Comuna 13 sowohl für den Forscher als auch die Informanten gravierende Risiken und vor allem eine ethische Verantwortung des Ethnologen impliziert, widmet Frau Mucha dieser Problematik ein eigenes Kapitel. Nach der Einführung in den historischen und sozioökonomischen Kontext Medellins und der Comuna 13 werden eingehend die Hintergründe des nationalen Konfliktes geschildert, um anschließend die Urbanisierung des Bürgerkrieges und damit die bewaffneten Auseinandersetzungen auf lokaler Ebene in Medellín sowie der Comuna 13 zu erläutert. In diesem Zusammenhang geht Frau Mucha auf die gegenwärtige Konfliktsituation ein, in der speziell die Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen als Kriegsressource, die aufgrund ihrer ökonomischen Perspektivlosigkeit zur Eingliederung in die Banden prädisponiert sind, sowie das Phänomen der „unsichtbaren Grenzen“ - Kriegsterritorien der unterschiedlichen Konfliktakteure - behandelt werden. Die Tatsache, dass die Zivilbevölkerung nicht nur direkt von der Gewalt betroffen ist, sondern selbst auch in die gewalttätigen Organisationen integriert ist, erschwert die Trennung von Opfer und Täter maßgeblich. Nur diese Teilnahme und Unterstützung der Banden gibt ihnen den notwendigen Rückhalt und stellt einen Teil ihres finanziellen Auskommens. Zentraler Gegenstand des empirischen Teils der Arbeit bilden schließlich die verschiedenen Formen und Akteure friedlichen Widerstandes in der Comuna 13. Hierbei hat sich Frau Mucha besonders mit vier Initiativen befasst, die durch unterschiedliche Methoden versuchen, gegen Gewalt und Terror vorzugehen. Dabei zeigt sie, dass die Zivilbevölkerung, entgegen dem öffentlichem Diskurs, nicht nur als passives Opfer der Gewalt zu verstehen ist, sondern sich durch ihre Widerstandsaktionen als eigenständiger sozialer Akteur definiert. Die Arbeit schließt mit einer deutschen und einer spanischen Zusammenfassung ab und gibt einen Hinweis auf aktuelle Geschehnisse. In einem Anhang finden sich detaillierte Angaben zu den Interviews sowie einige weitere Abbildungen.

Mucha, Lena : Friedlicher ziviler Widerstand im Kontext des urbanen Konfliktes im Stadtteil Comuna 13 in Medellín (Kolumbien)

Heft42

Die von Prof. Michael Bollig betreute Bachelorarbeit von Anne Turin war in die Forschungsarbeiten der Forschergruppe 1501 Resilience, Collapse and Reorganisation in the Social-Ecological Systems of Eastern and Southern African Savannahs eingebettet. In der interdisziplinären Gruppe arbeiten Ökologen und Kulturwissenschaftler zu Transformationsprozessen im zentralen Südafrika. Während sich das Gros der Forschungsarbeiten auf die vergangenen Dekaden bezieht, bearbeitete Anne Turin einen der grundlegenden historischen Transformationsprozesse, die diese Region durchgemacht hat. Die Durchdringung der Region durch europäische Siedler zwischen 1830 und 1870 führte zu einer rasanten Umgestaltung sozial-ökologischer Beziehungen. Im großen Stile wurden Wildpopulationen ausgerottet und Mensch-Umweltbeziehungen gänzlich neu definiert. In beeindruckender Sorgfältigkeit hat Anne Turin diesen Prozess durch intensive Archivstudien in Südafrika (hier insbesondere die Archive Bloemfonteins) dokumentiert. Die Arbeit bietet erstmals einen umfassenden Einblick in den Kollaps des präkolonialen sozial-ökologischen Systems in einer Phase der katastrophalen Überjagung sämtlicher Wildbestände.


Turin, Anne : Imperiale Jagd und europäische Expansion im Oranje-Freistaat, 1800-1890. A.H. Bain, Prinz Alfreds Jagd und die Rettung des Weißschwanzgnus

Heft41

Die von Prof. Michael Bollig betreute Magisterarbeit befasst sich mit der ethnischen Minorität der Haro, deren ethnologische Klassifikation sich nicht durch eine einzige Wirtschaftsweise bestimmen lässt. Gruppen, die bisher aufgrund einer nur einseitig erfassten Ökonomie mal als Handwerker, Wildbeuter, zuweilen aber auch als Händler bezeichnet wurden, nehmen zwischen den ländlichen Bevölkerungen Südäthiopiens eine besondere gesellschaftliche Stellung ein. Ethnische Minoritäten wie auch die der von Fabienne Braukmann untersuchten Haro, die auf der Insel Gidicho im Abayasee und an den Ufern des Sees leben, stellen ein Faszinosum für die Regionalethnographen dar. Die Einordnung von Gesellschaften und Gruppen wie die der Haro, deren Ökonomie sich durch Mischformen und Kombinationen verschiedener wirtschaftlicher Aktivitäten auszeichnet, stellte die Ethnologie bis in die 80er Jahre hinein vor Probleme.
So hat auch die Literatur zu Äthiopien über mehrere Dekaden diskutiert, ob es sich bei diesen Gesellschaften um "versprengte" Restgruppen früherer Jägergesellschaften handelt oder ob sie als Kasten zu bezeichnen sind. Gemeinsames Merkmal solcher Gruppen ist es, dass bei ihnen nicht von einer singulären Wirtschaftsform gesprochen werden kann, sondern, dass sie die unterschiedlichsten Subsistenzstrategien miteinander mischten. So spielten eine spezialisierte Jagd, handwerkliche Tätigkeiten, aber auch rituelle Dienstleistungen für die dominanten Bevölkerungsgruppen in Äthiopien eine wichtige Rolle. Das Frankfurter Frobenius-Institut startete in den 1950er Jahren eine Expedition nach Südäthiopien, die sich u.a. mit diesen ethnographischen "Rätseln" beschäftigte.

Braukmann, Fabienne : Nilpferdjäger, Weber, Salzhändler. Wirtschaftliche Strategien und soziale Organisation der Haro Südäthiopiens im Wandel

Heft40

In ihrer von Prof. Dorothea E. Schulz Ph.D. betreuten Magisterarbeit untersucht Carolin Maevis die technischen und materiellen Vermittlungsprozesse, die bei deutschen TeilnehmerInnen an organisierten Safaritouren in Kenia den Eindruck einer unmittelbaren Teilhabe am authentischen, ‚naturbelassenen’ Afrika  generieren. Carolin Maevis’ Magisterarbeit fußt auf einer mehrmonatigen  empirischen Forschung, die sie zunächst in Köln, in Form von Internetrecherche, Besuchen in Reisebüros sowie der Analyse von Reiseprospekten durchführte, und später während eines zweimonatigen Aufenthalts am Naivashasee in Kenia fortsetzte. Dieses Forschungsvorhaben stellt Teil eines größeren  Forschungsvorhabens dar, welches im Zeitraum 2010-2013 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert wird, und SozialwissenschaftlerInnen und NaturwissenschaftlerInnen in ein interdisziplinäres Projekt einbaut.  Übergeordnetes Anliegen dieses Forschungsverbundes ist es, die komplexen Prozesse zu beleuchten, durch die vom Klimawandel betroffene  Bevölkerungsgruppen in Kenia und Südafrika mit den hieraus erwachsenden, sozialen und ökologischen Herausforderungen umgehen. Hierbei soll u.a. auch der wichtigen Rolle Rechnung getragen werden, welche neue  Medientechnologien und Institutionen, so etwa National- und Lokalradios,  staatliche und private Fernsehsender, und das Internet, bei diesen  Bewältigungsstrategien und den damit einhergehenden Diskursen zu  Umweltschutz und Klimawandel spielen.
Carolin Maevis’ Arbeit trägt insofern zu diesem weiter gesteckten Forschungsanliegen bei, als sie untersucht, welche Medien und medial gesteuerten Prozesse bei der Begegnung zwischen europäischen Touristen und lokaler Bevölkerung zum Tragen kommen. Dabei fokussiert ihre Arbeit nicht nur auf das technische Medium Internet, sondern auch auf ein Spektrum von Materialien und Datenträgern, welche beim genannten Vermittlungsprozess als eine materielle ‚Infrastruktur’ (Larkin 2008) zum Tragen kommen. Diese  materielle Infrastruktur ist immer aus ihrer Einbettung in historisch spezifische, soziale und ökonomische Institutionen und Prozesse zu verstehen. Carolin Maevis’ zentrale These lautet, dass die Infrastruktur, welche für die Vermittlung des ‚authentischen, wilden Afrikas’ für TouristInnen im Rahmen touristischer Unternehmen geschaffen wurde, so kohärent und effizient wirkt, dass ein  Durchbrechen dieses Vermittlungsprozesses, und das damit verbundene Erleben eines anderen ‚Afrikas’, welches den vorgefertigten Erwartungen der  TouristInnen zuwiderlaufen könnte, relativ unmöglich gemacht wird. Carolin Maevis bezeichnet diese Erfahrung treffend als eine der ‚vermittelten  Unmittelbarkeit’, womit sie darauf hinweist, das jeder Eindruck der direkten, unvermittelten Naturerfahrung durch Objekte, Bilder und soziale Praktiken konstituiert und vermittelt wird. Als eine medienethnologisch orientierte Arbeit verdeutlicht diese empirische Studie, wie eine medienwissenschaftliche Analyse auf innovative Weise mit neueren ethnologischen Ansätzen zu ‚material culture’ kombiniert werden kann. Zudem nimmt die Studie innerhalb des rasch  anwachsenden Literaturbestandes zur Ethnologie von Medienpraktiken insofern eine wichtige Position ein, als sie von einem ausschließlichen Fokus auf ein  (technisches) Medium absieht, und historisch gewachsene Praktiken und  Prozesse der Vermittlung am Schnittpunkt verschiedener Medien und Materialien beleuchtet.

Maevis, Carolin : Die Vermittlung von Unmittelbarkeit. Bilder und Erleben "ursprünglicher Natur" von Safari-TouristInnen am Naivashasee, Kenia

Heft39

This work supervised by Prof. Dr. Michael Schnegg, addresses the question how a community in rural Namibia copes with the development of new institutions for the administration and distribution of water. The analysis of this topic takes place against the background that in Namibia the responsibility for the water management and supply in rural communities has been handed over by the state to the local users in the last years. In the course of this process hundreds of communities must develop new institutions in order to pump up and to distribute the groundwater.
The present work is based on several months of fieldwork in the region and was promoted in cooperation between the University of Hamburg, the United Nations University in Bonn and the Institute of Social and Cultural Anthropology of the University of Cologne.

Menestrey Schwieger, Diego Augusto : Institutions and Conflict. An Ethnographic Study of Communal Water Management in North-West Namibia

Heft38

Die Magisterarbeit von Heidrun Mezger, betreut von Prof. Dr. Klaus Schneider und Prof. Dr. Michael Bollig, untersucht, ob ethnologische Studien zur Weberei der Dogon in historischer und komparativer Perspektive zu einem besseren Verständnis der rezenten Bevölkerungsgeschichte der heute von ihnen bewohnten Region in Mai beitragen können. Dazu dienten beispielsweise die Rückverfolgung der Verbreitung von Webtechniken und die Aufnahme von oralen Traditionen zu Migrationsbewegungen. Eine achtwöchige Feldforschung in den Jahren 2007 und 2008 im Rahmen des internationalen und interdisziplinären Forschungsprojektes 'Peuplement humain et paléoenvironnement en Afrique de l'Ouest' der Universität Genf brachte bemerkenswerte Resultate. Einen besonderen Fokus legte Frau Mezger auf intraethnische - und bewusst nicht auf interethnische - Unterschiede, weshalb die Datenerhebung in fünf geographisch und linguistisch unterschiedlichen Regionen des Dogon-Gebietes durchgeführt wurde. Spezielle Fragestellungen zu technischen Phänomenen und die Aufnahme der noch bekannten Erzählungen zum Ursprung der Weberei führten zur Erkenntnis, dass sich verschiedene Traditionen von Weberei auch heute noch unterscheiden lassen. Interviews mit benachbarten Peul- und Bamana-Webern ergaben aufschlussreiche linguistische Daten. Frau Mezger hat mit dieser Arbeit gezeigt, dass sich die Untersuchung von Themen materieller Kultur lohnt. Nach bereits abgeschlossenen Forschungen des Projektes Ounjougou zur Metallurgie und Töpferei der Dogon mit umfangreichen ethnoarchäologischen Studien beschäftigt sich die Diversität einzelner Gruppen mit jeweils eigenen Migrationsgeschichten und Traditionen. Die neuen Ergebnisse zur Weberei bestätigen, dass Teile der rezenten regionalen Besiedlungsgeschichte mit intensiven Forschungen zur materiellen Kultur rekonstruiert werden können. Diese Publikation wird durch die Heinrich-Barth-Gesellschaft in Köln finanziell unterstützt.


Mezger, Heidrun : Zur Weberei der Dogon in Mali. Eine komparative und historische Perspektive

Heft37

Frau Freihaut beschäftigt sich in ihrer Bachelorarbeit, die von Prof. Michael Bollig betreut wurde, mit einem Thema, dass die Ethnologie (wie auch andere Sozialwissenschaften) zunehmend beschäftigt. Wie reagieren lokale Gemeinschaften in Entwicklungs- und Schwellenländern auf die vielfältigen Herausforderungen des Klimawandels? Dass der globale Klimawandel massive Veränderungen in der Bioproduktivität und in der agrarischen Nahrungsmittelproduktion mit sich bringen wird, ist heute nicht mehr umstritten. Es geht in der globalen Diskussion heute darum, wie Konsequenzen dieser nachteiligen Entwicklungen abgemildert werden können. Seit dem Kyoto-Protokoll ist weltweit akzeptiert, das lokale Anpassungsprogramme wesentlicher Bestandteil solcher Stratgien sein müssen. REDD (
Reducing Emissions from Deforestation and Degradation

Freihaut, Chris : Community Forestry. Instrument des globalen Klimaschutzes oder lokale Maßnahme zu Empowerment?

Heft36

Die vorliegende Studie befasst sich mit der Anthropologie der kulturellen Räumlichkeit anhand eines ihrer bedeutendsten Teilaspekte, des umbauten Raumes. Die Thematik der vernakularen Architektur des insularen Südostasiens wird einerseits im Rahmen von interdisziplinären theoretischen Konzepten, andererseits in Gestalt einer detaillierten Zusammenschau ethnografischer Evidenzen aus der vorhandenen Literatur aufgearbeitet. Da eine systematische Behandlung dieses Gegenstandes noch in den Anfängen steckt, setzt die vorliegende Arbeit, eine von Prof. Dr. Martin Rössler betreute Magisterarbeit, Maßstäbe für eine holistische Kulturanthropologie der südostasiatischen Architektur. Ausgehend von den Beziehungen zwischen Architektur und naturräumlichen Verhältnissen des malaiischen Archipels werden die Komponenten der traditionellen Architektur von insgesamt elf ethnischen Gruppen in Relation zu den jeweiligen einheimischen Orientierungssystemen und symbolisch-kosmologischen Konstrukten analysiert. Die Auswahl der Beispiele trifft eine Unterscheidung zwischen küsten- und terrestrisch orientierten sowie rein maritim lebenden Gesellschaften. Sie folgt damit einer etablierten Klassifikation der ca. 250 indonesischen Kulturen und untermauert gleichzeitig, dass diese Klassifikation auch im Hinblick auf Orientierungs- und Überzeugungssysteme ihre Berechtigung hat. Das Ziel der Untersuchung besteht nicht im Erstellen eines Vergleichs, der angesichts des heterogenen Datenmaterials auch kaum sinnvoll wäre. Vielmehr wird hier in einem übergreifenden Sinne die Entwicklung der räumlichen Struktur des südostasiatischen Hauses in Relation zu topografischen wie kulturhistorischen Gegebenheiten herausgearbeitet und in eine Beziehung zu traditionellen Kosmologien und Symbolsystemen gesetzt. Da die tradionelle Architektur des insularen Südostasiens heute allenfalls noch in Resten vorhanden ist, stellt dieser Band schließlich auch eine reichhaltige Dokumentation kulturhistorischer Vermächtnisse dar.


Ankaoglu, Ibrahim : Das Haus im Fokus austronesischer Orientierungssysteme. Räumliche Dispositionen sowie Sinn- und Bedeutungsspektren in der vernakularen Architektur im insularen Südostasien

Heft35

Global climatic change has been analysed as a key driving force of social-ecological change in the coming decades. The increasing spread of Malaria due to warming is named as a major future problem of East Africa. In contrast to much of northern and southern Africa more humid conditions are expected for countries like Kenya, Uganda and Tanzania. Next to changing precipitation patterns and a profound snow melt on the glaciers of Mt. Kilimandjaro and Mt Kenya, warming and potentially higher rates of precipitation may bring about higher rates of Malaria infection. In fact, the empirically recorded cases of Malaria infections in the region seemingly support this argument. Infection rates have been constantly rising over the past two decades and many areas that had not been affected by Malaria for many decades, now have seasonal Malaria epidemics. It is especially the densely settled zone between 1500m and 2000m – the highly fertile Kenyan highlands – which seem to be affected most. Hence many indicators suggest a strong correlation between climatic change and the increase in Malaria. Barbara Solich shows that underlying social-ecological processes are much more complex than that. In a multi-causal analysis she is able to show that a number of other factors may have even a greater effect on Malaria rates than climatic change. In order to present her argument systematically Solich first of all gives a short out-line of the state of research. Unfortunately most research on increasing Malaria rates in East Africa is concentrating on one explanatory variable only. Also reliable long term data is rare. Solich presents her critique of current research foci and discusses a number of drivers that increase Malaria infections. She roughly differentiates between natural and socio- economic/political drivers – indicating a heuristic basis used in this identification. Among the natural drivers, climate change, land-use and cover changes, and drug resistance have been analysed, while demographic changes, poverty, and inadequate political responses have been identified as socio-economic/political drivers of the spread of Malaria in the region. Based on the analysis, she models the inter-connections between the factors and heir influence on various stages of the malaria infectious cycle. Exemplary analysis of the Kenyan Highlands illustrates this interplay of factors and strengthens Solich’s argument for further studies concerning Malaria-risk multiple causation.


Solich, Barbara : Increasing Malaria Risk in Eastern Africa. A Multi-Causal Analysis

Heft34

In the light of global environmental change, aridity in the South of Morocco is expected to increase while water availability is projected to decrease. Human activities, especially irrigation agriculture, are further impacting on resource degradation. Though the government has attempted to respond to these challenges, the rural South remains poorly developed. Water institutions are created on national and regional level to improve drinking water supply in rural settlements, but seem unable to respond to the most pressing problems. The access to safe drinking water is not guaranteed and water management is ineffective. Katharina Graf, supervised by Professor Dr. Bernd Diekkrüger (Department of Geography, University of Bonn) and Professor Dr. Martin Rössler (Department of Ethnology, University of Cologne), studies the drinking water supply in rural southern Morocco and explores the local options for action against a background of institutional constraints and increasing water scarcity. In 1995 a new water policy was adopted to improve the access to safe drinking water in rural Morocco. Since then, household water management has been based on two water facilities: a conventional draw well and a domestic tap connection. Assuming a scenario of increased water usage, Katharina Graf compares two villages located in the arid Middle Drâa Valley to assess to what extent rural water withdrawal and management are influenced by the above mentioned global, national and regional trends. She looks at these factors and their inter-linkages through an actor-oriented approach to investigate the options local actors have in managing the scarce resource. Drawing on both New Institutionalism and the Natural Resource Management approach, she analyses rural patterns of drinking water management. The analysis suggests that water management is dysfunctional due to the prefabrication of water institutions outside of the village context, while the rising withdrawal is determined by a local adaptation to it. The latter process draws on existing informal institutions which fill the gaps left by formal ones, and together these institutions constitute a flexible but fragile water management solution. The options for local action subject to these constraints appear reduced and leave doubts on the ability of rural households to flexibly manage an ever scarcer water availability.


Graf, Katharina : Drinking Water Supply in the Middle Drâa Valley, South Morocco. Options for Action in the Context of Water Scarcity and Institutional Constraints

Heft33

For many reasons, publication of this description and analysis of the socialisation process among the Pashtu nomads of western Afghanistan is considerably overdue. The fieldwork was carried out already in the late 1970s. The present booklet grew out of an article originally written fo an edited book that finally became too long and was withdrawn. Once again, it took a long time to partly rewrite and expand it. Nevertheless, even some thirty years after the fieldwork, I think that the data presented here are still valid for three reasons: First, it can be supposed that many of the patterns in the way in which children grow up in a Pashtu nomad camp in western Afghanistan have not changed dramatically - despite the terrible events and socio-political changes that the country has gone through since 1979. Second, even if these dramatic changes have influenced and altered many or some of the values and norms on which the socialisation process is grounded, the information presented here can be understood as a document describing how it was "once upon a time". Finally, the information might also be useful for future cross-cultural and comparative studies on the socialisation process in different societies because very little information is available on nomadic pastoral societies. The fieldwork in Afghanistan, sponsored by the German Research Foundation (DFG), to which we are most grateful, was carried out together with Bernt Glatzer over a period of about ten months during the winter of 1975/76 and the summer of 1977 in the districts of Bala Boluk (Farah Rud) and Shindand in the province of Farah. The data analysed and communicated here were collected either personally, or, because our language capacities were not good enough for more detailed interviews and discussions, through the assistance of our friends and counterparts Mohammad Saber, Hedayat Hedayatullah and Mohammad Azim Safi who also helped us in many other ways. We are most grateful to all three of them. The transcription of Pashtu terms follows the rules of the "Library of Congress" with the exception of persons' names for which diacritical signs are not used.


Casimir, Michael J. : Growing up in a Pastoral Society. Socialisation among Pashtu Nomads in Western Afghanistan

Heft32

In den vergangenen Jahren wurde von der ethnologischen Forschung die Konstruktion von Landschaften in gesellschaftlichen Diskursen deutlich thematisiert. Dabei stand im Vordergrund wie Gemeinschaften ihre Identität in die naturräumliche Ausstattung einer Region - in Topographien, Vegetation und Hydrologie - einlesen. Entgegen früherer kulturökologischer Beschäftigungen mit dem Thema Landschaft stand nun nicht so sehr der bio-geophysische Einfluss des Menschen auf seine Umwelt im Vordergrund, sondern vor allem wie Landschaften als Medien bei der Konstruktion diverser Identitäten und Machtbezüge genutzt werden. Hierbei stehen häufig Landschaftskonstrukte im Vordergrund, die sich in einem längeren Traditionsprozess entwickelt haben. Landschaftskonstruktionen bezogen u.a. ihre Legitimation durch die historische Tiefe, die der Beziehung Mensch/ Umwelt anhand konkreter Beispiele zugesprochen wurde. Leandros Fischer stellt sich in seiner Magisterschrift, die von Prof. Michael Bollig betreut wurde, einer Herausforderung für die ethnologische Landschaftsforschung: Flüchtlingslager sind Orte, in denen quasi per definitionem eine Traditionsbildung ausgeschlossen wird. Wie entwickeln sich an solchen Orten symbolische Ortsbezogenheiten und wie wird die alte und verlorene Heimat in die neue Heimat hineinprojeziert und findet ein solcher Verbindungsprozess überhaupt statt? Fischer bearbeitet diese Thematik anhand palästinensischer Flüchtlingslager im Libanon. Seine Materialbasis beruht auf einigen gut ausgearbeiteten Ethnographien mit deutlichen Bezügen zur Thematik und gründet sich weiterhin auf einer umfassenden Lektüre einschlägiger historischer Werke sowie auf Propagandamaterial verschiedener palästinensischer Organisationen.


Fischer, Leandros : Landscape and Identities. Palestinian Refugees in Lebanon

Heft31

Die Untersuchung von Konsumtionsmustern in westlichen Nationen ist gemeinhin Gegenstand der wirtschaftswissenschaftlichen Marketing- und Konsumforschung, wobei entsprechende Studien überwiegend rein praxisbezogen sind. Demgegenüber sieht sich die sozialwissenschaftliche und ethnologische Konsumtionsforschung seit längerem dem Vorwurf ausgesetzt, dass ihre komplexen Theorien - oft schon älteren Datums - in den zahllosen neueren Fallstudien praktisch keine Rolle mehr spielen. Lina Gandras verfolgt in ihrer von Prof. Dr. Martin Rössler betreuten Magisterarbeit das Ziel, diesem Defizit im Rahmen einer kleinen empirischen Studie in Nordrhein-Westfalen entgegen zu wirken und das Konsumentenverhalten im Sektor der biologisch produzierten Lebensmittel im Bezug auf ältere wie aktuellere soziologische und ethnologische Theorien zu beleuchten. Der Bio-Markt erfuhr in den letzten Jahren einen anhaltenden Boom. Er hat sich inzwischen von der Zielsetzung der früheren Bio-Konsumtion zum Teil deutlich entfernt und ist fast zu einem Massenphänomen geworden. "Bio" ist in, beherrscht die Werbung und ist heute in jedem Discounter zu finden. Die Frage ist also: Wer kauft solche Lebensmittel und warum? Neben einem Überblick über die Anthropology of Food und die wichtigsten Theorien des Konsumverhaltens beschreibt Lina Gandras die historische Entwicklung des Lebensmittelkonsums in Deutschland sowie die Entstehung des deutschen Bio-Marktes. Den Kern der Arbeit bildet eine empirische Untersuchung des Kaufverhaltens und der unterschiedlichen Faktoren, die Kaufentscheidungen beeinflussen. Es ergibt sich das Bild einer komplexen Ernährungskultur, die spezifische Konstruktionen von Gesellschaft und Selbstidentifikation der Konsumenten zu einem charakteristischen, aber keineswegs homogenen "Weltbild" vereint. Diese Erkenntnis wird schließlich in Bezug zu den etablierten Konsumtionstheorien gesetzt: Hier zeigt sich, dass sich auch in einer kleinen Studie innerhalb Deutschlands Tendenzen nachweisen lassen, die seit Jahrzehnten überall auf der Welt, und in teilweise ganz anderen Kontexten, festgestellt wurden.


Gandras, Lina : Warum Bio? Eine Untersuchung zum Kaufverhalten im Lebensmittelbereich

Heft30Frau Schaumburgs Magisterarbeit, betreut von Professor Michael Bollig, beschäftigt sich mit der komplexen Thematik urbaner Sozialorganisation und Identität in Südafrika. Dieser eminent wichtige Zusammenhang – immerhin gilt in Südafrika mehr als die Hälfte der Bevölkerung als Städter – ist für die Ethnologie ein schwierig zu bearbeitender Gegenstandsbereich, kann sie doch nicht auf Standardverfahren wie teilnehmende Beobachtung und nur begrenzt auf die dichte Beschreibung sozialer Interaktionen setzen. Die urbane  Ethnologie hat lange um adäquate Erhebungseinheiten gerungen: deutlich abgetrennte oder doch abtrennbare räumliche Einheiten, die die Ethnographie ruraler Gemeinschaften mitprägten, gab es hier nicht. Räumlich begrenzte Erhebungseinheiten, die sich auf Straßenzüge oder Viertel bezogen, schienen lange Zeit ein probates Mittel, Erhebungseinheiten einzugrenzen. Die  Fokussierung auf soziale Netzwerke und urbane Identitäten eröffneten andere mögliche Wege. Katrin Schaumburg schlägt mit ihrer Magisterarbeit einen weiteren innovativen Weg ein: sie schreibt die Ethnographie eines Ortes bzw. eines Platzes in Soweto/Johannesburg. Sie orientiert sich dabei an den theoretischen Arbeiten Marc Augés sowie an den ethnographischen Arbeiten Setha Lows. Im Fokus des Interesses steht die soziale Produktion und soziale Konstruktion eines urbanen Ortes. Wie wurde dieser Ort planerisch und architektonisch gestaltet und welche Bedeutung wurde ihm
durch Akteure gegeben? Schaumburgs Arbeit beruht auf einer dreimonatigen Feldarbeit in einem Township Johannesburgs, Soweto. Soweto ist für sich genommen bereits eine Millionenstadt, die unverrückbar mit den stadtplanerischen Vorstellungen des Apartheidsstaates verknüpft ist. Aufgrund der extrem hohen Kriminalitätsrate sind sozial- und kulturwissenschaftliche Arbeiten in diesem Kontext keineswegs einfach und die Tatsache, dass Frau Schaumburg hier eine auf Teilnahme basierende Forschung durchgeführt hat, ist bereits eine erwähnenswerte Tatsache. In ihrer Arbeit hat sie sich in ethnographischer Kleinarbeit mittels qualitativer Verfahren mit dem Platz und seinen Akteuren auseinandergesetzt.

Schaumburg, Katrin : Maponya's in Transition. The Social Production and Construction of an Urban Place in Soweto, Johannesburg (South Africa)

Heft29

Für Jahrhunderte waren, auch in der europäischen Heilkunde, die Bioressourcen - hierbei besonders pflanzliche Produkte - die wesentlichen Mittel, die dem Arzt oder dem Heiler zur Verfügung standen. Diese kamen einerseits aus den heimischen Regionen, wurden jedoch schon seit der Antike auch aus fernen Ländern bezogen. Mit der Kolonialzeit kamen nun mehr und mehr "exotische" Produkte hinzu - ein Beispiel wäre das Chinin. Obgleich besonders im 19. und in den folgenden Jahrhunderten die organische Chemie - und damit auch die synthetische Herstellung von Medikamenten - eine rasante Entwicklung nahm, so war dennoch die nun entstandene Pharmaindustrie weitgehend auf "Naturprodukte" angewiesen, aus denen die Grundelemente extrahiert wurden, um sie für die Synthese neuer Medikamente zu nutzen. Bei der besonders seit Ende der 1980er Jahre verstärkten Suche nach unbekannten chemischen Verbindungen in wildwachsenden Arten - meist aus außereuropäischen Ländern - bediente man sich nicht nur der Botaniker, welche die Prospektion in den Urwaldgebieten, Wüstensteppen und Hochgebirgsregionen vornahmen, sondern befragte die dort lebenden Menschen, die seit jeher Pflanzen beziehungsweise deren Bestandteile als Heilmittel verwandten. War dies noch vor einigen Jahrzehnten für die Pharmakonzerne kein wesentliches Problem, so stellte sich bald die Frage, wem eigentlich die Bioressourcen gehören und wer demnach die Rechte zur Ausbeutung und Nutzung des Wissens und der Produkte hat; dies nicht zuletzt auf Grund der teilweise enormen Summen, die durch die Herstellung und Vermarktung neuer Medikamente (aber auch Kosmetika etc.) verdient wurden. An diesem Gewinn wurden die jeweiligen Länder, besonders aber die Personen oder Gemeinschaften, die über das Wissen um die Heilwirkung verfügten, nicht beteiligt. In ihrer Magisterarbeit hat sich Elisa Träger speziell diesem wichtigen Thema gewidmet. Sie analysiert sowohl die Vorgeschichte der heutigen Bioprospektion als auch die neueren Entwicklungen sachkundig und umfassend. Dabei geht sie unter anderem der zentralen Frage nach den Zugangs- und Nutzungsrechten nach, um die seit einigen Jahren zahlreiche indigene Ethnien in Zusammenarbeit mit unterstützenden Organisationen kämpfen. Auch wird die Problematik der Patentierung von Medikamenten und Bioressourcen beleuchtet sowie internationale Abkommen und Deklarationen zu der komplexen Thematik vorgestellt und erörtert. Dieser theoretische Hintergrund wird von Elisa Träger schließlich in vier verschiedenen Fallbeispielen aus Zentral- und Südamerika exemplifiziert.


Träger, Elisa : Bioprospektion und indigene Rechte Der Konflikt um die Nutzung von Bioressourcen

Heft28

Ebenso wie der klassische Sanskrittext des Kamasutra des Vatsayana (ca. 3. Jh. nach unserer Zeitrechnung) mit seinen detaillierten Beschreibungen sexueller Praktiken, waren und sind auch die Tempel von Khajuraho aus der Epoche der Chandella Dynstie (10. bis 12. Jh.) mit ihren erotischen Skulpturen (mithunas) Gegenstand zahlloser Beschreibungen und Interpretationen. Stark beeinfusst durch die Kolonialzeit mit ihrer sexualfeindlichen Grundhaltung, ist in Indien, bis in die jüngste Vergangenheit hinein eine prüde Einstellung gegenüber der Sexualität weit verbreitet. So finden sich auch in öffentlichen Debatten um die Bedeutung der mithunas extrem konservative Ansichten, die entweder jede Art sexueller Darstellungen prinzipiell verurteilen oder aber, stolz auf das traditionelle Erbe Indiens, die erotischen Darstellungen ideologisch überhöhen indem sie sie im Rahmen religiös asketischer Vorstellungen interpretieren. Im Gegensatz dazu betrachten progressive Kreise in jüngerer Zeit die menschlicher Sexualität als etwas sehr Natürliches und stehen somit auch den mithunas positiv gegenüber. In seiner Arbeit hat Herr Spieß sich die Aufgabe gestellt, herauszufinden, wie heutige indische aber auch ausländische Betrachter, die erotischen Skulpturen der Tempel von Khajuraho wahrnehmen, interpretieren und diese Interpretationen begründen. Hierzu wurden sowohl Aussagen zu unterschiedlichen Vorstellungen, Einstellungen und Erklärungen von Bewohnern im Umfeld des Tempels als auch von indischen Touristen erfasst und analysiert. Während des zweimonatigen Aufenthalts konnten die Aussagen von 327 indischen und westlichen Informanten mittels Fragebögen aufgenommen werden. Des Weiteren wurden längere Interviews mit 19 einheimischen Informanten geführt. Die Antworten auf die gestellten Fragen, beispielsweise nach den Beweggründen für den Besuch des Tempels, nach den Meinungen bezüglich der Bedeutung der mithunas und nach ihrer "Botschaft" wurden analysiert wobei die Ergebnisse der auch quantitativen Auswertungen mittels prototypischer Antworten der Besucher illustriert wurden. Es zeigte sich, dass die erotischen Skulpturen für viele moderne und gebildete Inder eine weltliche Botschaft vermitteln, indem sie für einen offenen Umgang mit Sexualität sprechen.Werden die mithunas jedoch in ihrem religiösen Kontext wahrgenommen, so dominieren Interpretationen, die in den erotischen Skulpturen eine Aufforderung zur Askese sehen.


Spieß, Nicolai : Die Tempel von Khajuraho (Indien) und ihre erotischen Skulpturen in den Augen ihrer Betrachter

Heft27

In den vergangenen Dekaden hat, besonders in der Ethnologie, das Interesse am Thema "Emotionen" stark zugenommen. Hierbei war die Frage vor allem, wie werden Emotionen in unterschiedlichen Kulturen verstanden, modelliert und mit anderen Teilsystemen der Kultur verbunden. Einer dieser Bereiche betrifft das Verständnis des Zusammenspiels von Gesundheit und Krankheit mit affektiven Zuständen. Im Gegensatz zu abendländischen, von Descartes geprägten Auffassungen von einer Trennung von Psyche und Soma findet sich in anderen Kulturen diese Trennung nicht oder nur eingeschränkt. Ein interessantes Beispiel dafür bietet die traditionelle chinesische Medizin (TCM) mit ihrer auf Harmonie und Gleichgewichtszuständen basierenden Humoralmedizin. In seiner Magisterarbeit hat sich Martin Böke die Frage gestellt, inwieweit sich in der TCM Zusammenhänge zwischen Emotionen und Vorstellungen von Krankheitsursachen finden lassen und in welcher Art und Weise diese Verbindungen verstanden werden. Einen ersten Schwerpunkt zur Untersuchung dieses Themas bietet die Analyse wesentlicher klassischer chinesischer Texte, welche Herr Böke unterteilt in philosophische und medizinische Abhandlungen, und die, wie er zeigen kann, in Zusammenhang zu sehen sind. Anhand ausgewählter Zitate gelingt es ihm, Ähnlichkeiten, aber auch Unterschiede in den Vorstellungen über Emotionen und "Emotionsmanagement" herauszuarbeiten und aufzuzeigen, dass Emotionen durch ihr Wirken auf die auf Harmonie basierenden Systeme der "Funktionskreise" und "5 Wandlungsphasen" als pathogen betrachtet werden. Im nachfolgenden Kapitel analysiert er gegenwärtige Lehrbücher der TCM unter besonderem Interesse der Metaphern, die, wie in anderen Sprachen auch, emotionale Zustände be- bzw. umschreiben. Hier wird deutlich, dass einerseits Psyche und Soma als untrennbar betrachtet werden, andererseits im Sinne einer angestrebten Harmonie das Stigma einer "einseitigen" psychischen Unausgeglichenheit verhindert werden muss. In den folgenden Fallstudien kann Herr Böke nun zeigen, dass sich Arzt und Patient einer "somatisierenden Sprache" bedienen und psychische Missstände in körperlichen ausdrücken, um jede Form der Beschämung und Stigmatisierung zu vermeiden. Einen Sonderfall bietet hier die Diagnose "Neurasthenie", die in der TCM als eine Schwächung oder Störung diverser Funktionskreise betrachtet wird, wodurch offensichtliche soziale und darauf basierende psychische Störungen unausgesprochen bleiben und eine Stigmatisierung somit vermieden wird. Durch die Verknüpfung der Bereiche Ethnologie und Sinologie konnte Herr Böke in seiner Arbeit in komprimierter Form Zusammenhänge klären und interpretieren, wie sie bisher kaum dargestellt wurden.


Böke, Martin : Die Rolle der Emotionen im traditionellen chinesischen Medizinsystem

Heft26

Seit längerem findet sich in der fachspezifischen Diskussion der Ethnologie der Terminus "Ethnizität", der jedoch von den Medien oft vorschnell und einseitig dazu benutzt wird, um jede aggressive Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Ethnien, Gruppen oder Populationen vereinfachend als "ethnischen Konflikt" zu erklären. Bei vielen Konflikten spielen jedoch vor allem Auseinandersetzungen zwischen dominanten Ethnien/Gruppen und solchen eine Rolle, die kaum oder nur einen geringen Zugang zur Macht und zu Ressourcen haben. Eine Instrumentalisierung ethnischer Zugehörigkeiten wird oft erst im Laufe des Konfliktes vorgenommen. Hiermit können auch Prozesse eingeleitet werden, die dann zu einer "Ethnogenese" führen - Prozesse der Entstehung neuer Ethnien. Herr Wildauer hat dieses Phänomen in seinem ersten, einführenden Kapitel umfassend dargestellt, wobei er seinen Schwerpunkt bereits auf die Beschreibung derjenigen Kräfte legt, die in seinen weiteren Ausführungen eine zentrale Rolle einnehmen werden: Faktoren die der Mobilisierung ethnischer Gruppen und der Festigung kollektiver Identität dienen und so kollektives Handeln beeinflussen und ermöglichen. Die Arbeit befasst sich schwerpunktmäßig mit der Entstehung der "Ethnie der Konkomba" im Norden Ghanas. Dabei handelt es sich um ursprünglich dezentralisiert organisierte Gruppen ohne übergreifende kollektive Identität, deren Zusammenschluss dann im Sinne einer vereinheitlichenden Ethnogenese im Verlauf der Konflikte mit den dominanten Ethnien der Region bedeutsam wird. Es kann nachgewiesen werden, dass dieser Entstehungsprozess maßgeblich von politischen und ökonomischen Interessengruppen beeinflusst wurde, denen es gelang, die Konkomba für ihre Zwecke zu instrumentalisieren und zu mobilisieren. Analysiert werden die Konflikte der 1980er und 1990er Jahre, deren Nachwirkungen noch in der Gegenwart zu beobachten sind.


Wildauer, Frank : Zur Genese ethnischer Konflikte. Die Konkomba-Kriege im Norden Ghanas

Heft25Frau Bedorfs Magisterarbeit, betreut von Professor Michael Bollig, wurde im Kontext des Sonderforschungsbereichs 389 Kultur- und Landschaftswandel im ariden Afrika und hier insbesondere innerhalb des Teilprojektes C11, in dem es um urbane Identitäten im postkolonialen Namibia ging, erarbeitet. Die im Fokus der Arbeit stehende Gruppe der s.g. Coloureds ist ein Produkt der Segregations- und Apartheidspolitik des 20. Jahrhunderts. Bereits in der deutschen Kolonialzeit marginalisierte und diskriminierte die kolonisierende weiße Bevölkerung Nachkommen, die aus Verbindungen weißer Siedler, Verwalter und Soldaten mit einheimischen Frauen hervorgingen. Sie verweigerte ihnen, wie auch der übrigen einheimischen Bevölkerung, Grundrechte und schloss sie von der politischen Partizipation weitestgehend aus. Gleichzeitig räumten die weißen Kolonialherren den Coloureds aber mehr Rechte als der schwarzen Bevölkerung ein und in der Apartheidszeit (1948-1989) wurden für sie getrennte Stadtteile angelegt. In dem zu Windhoek, der Hauptstadt Namibias, gehörenden, Anfang der 1960er Jahre eingerichteten coloured Stadtteil Khomasdal hat Franziska Bedorf eine zweimonatige Feldarbeit zu der Thematik "Identitätskonstruktionen und soziale Praxis" durchgeführt. Im Fokus der Arbeit steht die Frage, wie die Kategorie des being coloured seit Ende des 19. Jahrhunderts in Namibia entstanden ist, welchen Einfluss sie auf das Leben, insbesondere die sozialen Beziehungen, der so kategorisierten Menschen hat und inwieweit sich Inhalt und Bedeutung des Attributs seit der Unabhängigkeit des Namibias 1990 gewandelt haben. Frau Bedorfs Arbeit zu den Coloureds Namibias ist eine der ersten sozialund kulturwissenschaftlichen Arbeiten zu dieser sozialen Gruppe. Mittels einer auf Befragungen, teilnehmender Beobachtung, Archivarbeit und Netzwerkanalyse beruhenden Herangehensweise gelingt es Franziska Bedorf, die historisch gewachsenen Ambiguitäten aber auch die zentralen Markierungen einer coloured Identität kenntnisreich zu beschreiben und zu analysieren.


Bedorf, Franziska : "We don't have a culture". Being coloured in Namibia als Konstruktion und Praxis

Heft24

Taiya Mikisch beschäftigt sich in ihrer Magisterarbeit mit einer im Fach eher selten behandelten Thematik: Tanz in einem islamischen Kontext. Ein schwieriges Unterfangen, denn Tanz ist im konservativen Süden Marokkos mit vielen Ambivalenzen verbunden: Stolz und Scham, Ehre und Schande scheinen auf vieldeutige Weise miteinander verknüpft zu sein. Ein besonderes Verdienst und eine ethnographische Leistung der Arbeit Mikischs ist es, dass sie diese Vieldeutigkeit ethnographisch detailliert durchleuchtet. Während eines Feldforschungspraktikums im Süden Marokkos hatte Taiya Mikisch In Jahre 2005 die Möglichkeit dort Daten für ihre Magisterschrift zu sammeln. Über sechs Wochen lebte sie in einer marokkanischen Familie und konnte in teilnehmender Beobachtung die Zusammenhänge von Tanz und Geschlechterrollen ethnographisch erfassen. Die Arbeit beschreibt Grundpositionen des Islam zu Respektabilität, Sexualität und Tanz. Zentral für die Arbeit ist die Zusammenarbeit Mikischs mit einer Folkloretanzgruppe. Hier konnte Mikisch in zahlreichen Einzelsitzungen sowohl die Geschichte des Ensembles, biographische Daten der Mitglieder als auch Motivationen und Einstellungen zum Tanz erheben. Besonders die Lebensgeschichten zweier Teilnehmerinnen beeindrucken: im Gegensatz zu den männlichen Mitgliedern der Tanzgruppe sind sie besonders den Negativbeurteilungen der Öffentlichkeit ausgesetzt, während ihre männlichen Kollegen eher als Bewahrer der Tradition gelobt werden.


Mikisch, Taiya : Stolz und Stigma. Tanz und Geschlechterrollen in Zagora, Südmarokko.

Heft23

Indigenous knowledge has become an important field of anthropological research during the past two decades. The knowledge of rural people on flora and fauna have been extensively documented. Unfortunately many ethnographic documentations of local knowledge were produced without relating local knowledge to western botanical and zoological knowledge. In fact, frequently reference to western scientific model were seen as polluting the ethnography of local knowledge systems. The ethnography of a pastoral community?s knowledge of the structure of pastures and the ecological dynamics in such a system shows that anthropological research on emic knowledge of eco-system processes may miss crucial points when putting aside western ecological knowledge completely. Tönsjost applies a sophisticated methodology drawing upon newly developed approaches in cognitive anthropology to elucidate a community's knowledge of environmental structures and processes. Her study is particularly valuable as she desists from portraying local knowledge as homogeneous and age-old. She is able to show, that in fact, knowledge is distributed fairly differently in the community. This distributional pattern is structured and sex and age play an important role in determining what somebody actually knows and what he or she does not know. Tönsjost?s ethnography has been produced in the context of two interdisciplinary programmes: on the one hand her research was embedded in the Collaborative Research Centre Arid Climate, Adaptation and Cultural Innovation in Africa and on the other hand she was partaking in the Junior Research Group Savannah Range Management - Ecological and Economic Sustainability. The ethnography which was handed in as an MA phil thesis, supervised by Prof. Michael Bollig at the Institute for Social and Cultural Anthropology of the University of Cologne is based on several months of fieldwork which Tönsjost partially conducted on her own but partly also in a team with botanists and ecologists. Tönsjost's work offers a fresh approach to indigenous knowledge and will be of interest to read both for ecological and cognitive anthropologists alike but also for ecologists interested in savannah systems.


Tönsjost, Silke : Plants and Pastures. Local knowledge on livestock-environment relationships among OvaHerero pastoralists in north-western Namibia

Heft22

In allen Teilen der Welt unterliegen die Zugangs- und Nutzungsrechte an Land und Wasser einem mehr oder weniger komplexen Regelsystem. Die Vorschriften in diesen Systemen sind weitgehend von der jeweiligen Art der Nutzung, der Populationsgröße einer Bevölkerung bzw. Gruppe und der Menge der zur Verfügung stehenden Ressource abhängig. So finden sich bei vielen Sammler- und Jägerkulturen zumeist Schweifgebiete, die nicht als Eigentum einer Gruppe betrachtet werden und bei denen der Zugang zu überlebenswichtigen Ressourcen (z.B. Wasserlöcher in ariden Gebieten) in Zeiten der Not auch benachbarten Gruppen gewährt wird. Bei bodenbauenden Bevölkerungen sind die Besitzrechte an Land und in ariden Gebieten an Wasser jedoch klar definiert. So finden sich seit alters her in den Trockengebieten der islamischen Welt komplexe, regional unterschiedliche Rechtsvorschriften, welche die Besitzverhältnisse und Nutzungsrechte an Land und Wasser regeln. Diese gründen sich teilweise auf überkommene, vorislamische Vorschriften, doch im Wesentlichen sind sie durch die unterschiedlichen islamischen Rechtsschulen des jeweiligen Gebietes geprägt. In ihrer Arbeit hat Frau Susanne Hvezda das komplexe System dieser Vorschriften mit ihren Begründungen, wie sie im klassischen islamischen Recht niedergelegt sind, untersucht, wobei sie ihr besonderes Augenmerk auf die Vorschriften der m..lekitischen Rechtsschule legt, wie sie in Marokko zur Anwendung kommen. Die hier vorgelegte Arbeit liefert einen wesentlichen Beitrag zu einem Teilprojekt, das im Rahmen des "Integrativen Management- Projekts für einen Effizienteren und Tragfähigen Umgang mit Süßwasser in Westafrika" (IMPETUS) in Marokko durchgeführt wurde. Das diesem Bericht zugrundeliegende Vorhaben wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 01LW0301A, mit Mitteln des Ministeriums für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen unter dem Förderkennzeichen 313-21200200, sowie durch die Universitäten Köln und Bonn gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autoren.


Hvezda, Susanne : Wasser und Land im klassischen islamischen Recht unter besonderer Berücksichtigung der målikitischen Rechtsschule

Heft21

Wahrnehmung, Repräsentation und Veränderungen von Landschaften sind zentrale thematische Eckpunkte des Sonderforschungsbereich 389 "Landschafts- und Kulturwandel im ariden Afrika. Überleben unter ökologischen Grenzbedingungen." Die Arbeit Laura Bleckmanns, die von Prof. Michael Bollig betreut wurde, ist in einem regionalen Umfeld – Nordwestnamibia – angesiedelt, in dem sich die interdisziplinäre  Zusammenarbeit ebenso wie die disziplinären Bemühungen bislang sehr deutlich auf das physische Wirken des Menschen in der Umwelt orientierten. Archäologen beschäftigten sich ebenso wie Archäobotaniker mit den Konsequenzen menschlichen Handelns in den Savannen der semi-ariden Kunene-Region in der fernen Vergangenheit. Geographen thematisierten die durch Menschen ausgelösten, meist negativen Umweltveränderungen, und Ethnologen beschrieben die Anpassung von ökonomischen Strategien an spezifische Problemsituationen der Umwelt. Die Hirtennomaden der Kunene Region, Himba und Herero, bewirtschaften die Savanne mit großen  Viehherden. Ein Haushalt verfügt oft über mehrere hundert Rinder, Ziegen und Schafe. Um solche große Herden zu halten, müssen Menschen mobil sein und große Distanzen zurücklegen, um immer wieder neue Weidegebiete zu erschließen. Mobilität ist für den hirtennomadischen Lebensstil unverzichtbar. Dies bedeutet einerseits, dass Menschen die Bereitschaft mit sich bringen müssen, große Strapazen auf sich zu nehmen, um das Überleben der Herden zu sichern. Andererseits muss allerdings auch ein enorm detailliertes Wissen über ein riesiges Gebiet vorliegen. Menschen leben in der oft  lebensfeindlichen Trockensavanne allerdings nicht nur als auf Anpassung und Risikominimierung bedachte Akteure. Sie verstehen sich selber als durch die Historie legitimierte Handelnde, die in mit einem unverbrüchlichen Band mit ihren Vorfahren verbunden sind. In Preisliedern werden Vorfahren und Orte in einer metaphorischen Ausdrucksform miteinander verbunden. Diese Lieder werden von Generation zu Generation von Spezialisten weitergegeben. Es ist also keineswegs so, als ob alle Himba oder Herero diese Preislieder rezitieren könnten. Nur ein kleiner Personenkreis von Experten verfügt über das  Wissen, die komplexen Liedfolgen und –metaphern wiederzugeben. Es ist
Bleckmanns großer Verdienst, diese in ihrer Semantik und Grammatik höchst komplizierten Lieder inhaltlich zu übertragen und sie in einem sozialen und politischen Kontext zu interpretieren. Besonderen Wert hat ihre Darstellung durch die anspruchsvolle Verbindung von Preislied und Landschaft und dem gelungenen Versuch, Landschaften als besondere Bezugspunkte im  kulturellem Gedächnis zu präsentieren.

Heft20

Wo immer sich Menschen zu Bünden zusammenschließen, deren Mitglieder sich in ihren Weltanschauungen oder religiöse Vorstellungen von der Mehrheit der Bevölkerung unterscheiden und sich auch durch mehr oder weniger geheim gehaltene Symbole und Rituale von ihnen abgrenzen, entstehen um deren 'Geheimnisse' Mythen und Legenden. Immer wieder wurde und wird vermutet, dass von solchen 'Geheimbünden' eine Gefahr ausgeht und die dann entstehenden Verschwörungstheorien dienen dann als Begründung und oft auch als Vorwand diese Bünde zu diskriminieren und ihre Mitglieder zu verfolgen. Dies gilt nicht zuletzt auch für die Freimaurer, deren Organisation(en) in Deutschland, besonders in der Zeit des Nationalsozialismus verboten und deren Mitglieder oft grausam verfolgt wurden. Die Beziehung zwischen der durch Symbolen und Ritualen zum Ausdruck gebrachte Demarkation der Freimaurer und den (oft gewollten) Fehlinterpretationen, die dann Grundlage für Verschwörungstheorien, Diffamierung und Diskriminierung lieferten, sind Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Bereits durch die Darstellung der durch zahlreiche Dokumente belegten Entstehungsgeschichte der Freimaurerei und durch die Schilderung der verschiedenen Mythen, die sich um die Entstehung dieses Bundes ranken wird die Diskrepanz zwischen dem, was als belegbare Wirklichkeit und Innensicht vorliegt und dem was in der Außensicht auf Verschwörungstheorien und Diffamierungen beruht, offenbar. Um diese komplexen Interdependenzen dann im Einzelnen zu klären beschreibt Herr Theis dann folgerichtig den Symbol-Kosmos der Freimaurerei und erläutert die Rituale der Freimaurer (soweit sie nicht der strengen Geheimhaltung unterliegen), denn eben diese 'geheimen' Bereiche und Aspekte sind es, die die Grundlagen für Verschwörungstheorien und Diffamierungen liefern. Die Interpretation der einzelnen Symbole und die Darstellung der Bedeutung der Rituale für die Gemeinschaft(en) wurden jedoch nicht nur auf der Basis der bereits bestehenden Literatur durchgeführt; sie konnten auch in der Zusammenarbeit und Dank der Hilfe vieler Mitglieder der Kölner Loge 'Ver Sacrum', die Herrn Theis in dankenswerter Weise Zugang gewährte, erfolgen. Hierbei sind besonders diejenigen, hier wiedergegebenen Interpretationen der Symbole und Rituale durch die Mitglieder der Kölner Loge von besonderer Bedeutung, die sich auf die demarkierenden Unterschiede zwischen den 'Eingeweihten' und den 'Profanen' beziehen. Auf der Grundlage des nunmehr Mitgeteilten, und nach einem Exkurs über Verschwörungstheorien wird dann dargelegt, wie Mythen und Legenden um die 'Geheimnisse der Freimaurer' von den jeweiligen Machthabern konstruiert wurden um sie gezielt zur diffamieren und zu verfolgen.


Theis, Björn : Diskretion und Diffamie: Innensicht und Fremdbild am Beispiel der Freimaurerei

Heft19

Die von Frau Monika Zíková vorgelegte Magisterarbeit wurde im Hauptfach Japanologie von Frau Prof. Franziska Ehmke und von mir im Nebenfach Völkerkunde betreut. Ziel der Untersuchung war es, die allbekannten Stereotypen bezüglich Japans zu hinterfragen, nach denen Emotionen nicht als Ausdrucksformen des Einzelnen betrachtet werden können, sondern als komplexe Phänomene im sozialen Kontext betrachtet werden müssen. Weiterhin wurde immer wieder beschrieben, dass das japanische emotionale Ausdrucksverhalten sich durch eine ritualisierte Starrheit auszeichnet, was auf eine gewisse emotionale Kälte hindeute. Um diese beiden in der Literatur kontrovers behandelten Themenbereiche kritisch zu beleuchen, hat die Verfasserin zwei Forschungsansätze in glücklicher Weise miteinander verbunden. Als Grundlage für ihre Untersuchung hat Frau Zíková die wesentlichen Arbeiten zum Themenbereich der Beziehungen von Emotionen im soziokulturellen Kontext Japans und deren sprachlichen Ausdrucksformen bearbeitet, um sie dann mit den grundlegenden theoretischen Arbeiten zur 'Psychologie der Emotionen' in Verbindung zu bringen. Hierbei galt es zum einen die Formen des japanischen Ausdrucksverhaltens im Bereich der sog. 'Basalen Emotionen' (Angst, Wut, Freude etc.), die nach Autoren wie Ekman als Universalien anzusehen sind und in allen Kulturen mimisch in gleicher Weise zum Ausdruck gebracht werden. Zum anderen untersuchte sie nun den Bereich der sog. 'Sekundären bzw. Sozialen Emotionen'. Letztere bilden sich während der Ontogenese erst dann aus, wenn das Normen und Wertesystem der Gesellschaft internalisiert worden ist. Emotionen wie beispielsweise 'Scham' oder 'Stolz' können nur empfunden werden, wenn dem Kind klar geworden ist, in welcher Situation es 'richtig' bzw. 'falsch' gehandelt hat. Dies jedoch hängt von den jeweiligen kulturspezifischen Wert- und Normvorstellungen ab, die erst im Alter von ca. drei Jahren allmählich 'verstanden' werden. Frau Monika Zíková hat auch zu diesem Themenkomplex die neuere und neueste Literatur aus den Bereichen der Ethnologie und der Psychologie genutzt, um die spezifische japanische Emotions-Kultur verständlich zu machen. So gelingt es ihr nachzuweisen, dass im Bereich der 'Basalen Emotionen' prinzipiell keine Unterschiede zwischen Japanern und Mitgliedern anderer Kulturen zu verzeichnen sind, dass jedoch das 'Emotionsmanagement' und damit die kulturspezifische 'Modulation' des Gefühlsausdrucks in Japan kulturspezifischen spezifischen Regeln unterworfen ist, das zu den Eingangs erwähnten (eurozentrischen) Missverständnissen führte. Somit konnte Frau Zíková in ihrer Arbeit nicht nur alte Vorurteile bezüglich der japanischen Emotionen revidieren, sie konnte auch zeigen, dass die Verbindung verschiedener Disziplinen miteinander Wege zu neuen Problemlösungsstrategien eröffnet, was dann zu einem neuen Verständnis des Gegenstandsbereiches führt.

Heft18

Die durch Prof. Michael Bollig im Jahr 2000/2001 betreute Magisterschrift Jana Jahnkes stellt eine hervorragende, in sich geschlossene Arbeit zu der Thematik 'indigene Gruppen und Umweltschutz' dar. Die Verbindung zwischen Naturschutz und lokaler Entwicklung in den Peripherien der Dritten Welt wird vor allem seit den 1980er Jahren im Umfeld internationaler Geberorganisationen diskutiert. Nichtregierungsorganisationen nehmen auf diese Diskussion unmittelbaren Einfluss. Ähnlich wie Fragen der Rohstoffausbeutung in den Peripherien des Weltsystems wurde Naturschutz zu einem zentralen Thema der Globalisierung. Für die Ethnologie von besonderem Interesse ist die Tatsache, dass Naturschutz häufig mit der Frage der Entwicklung indigener Gruppen verbunden wird. Die Verbindung von lokalen Interessen, von Staatlichkeit und Naturschutz findet heute immer in einem globalen Kontext statt. Jana Jahnke demonstriert diese Zusammenhänge am Beispiel der Einrichtung eines Schutzgebietes in der Amazonasregion Perus. Dieses von der Weltbank angeregte und vom peruanischen Staat adaptierte Projekt sollte unter aktiver Mitgestaltung der beiden lokalen Ethnien, Aguaruna und Huambisa, geplant werden. Jana Jahnke versteht es, dieses Problem in wissenschaftlich hervorragender Weise zu sezieren. Methodisch anspruchsvoll zerlegt sie den globalen Zusammenhang in mehrere Ebenen: sie unterscheidet die internationalen Akteure (neben Weltbank auch Nichtregierungsorganisationen und Missionare), die verschiedenen staatlichen und halbstaatlichen Stellen und die lokalen Akteure (Indigene aber auch nicht-indigene Siedler). Frau Jahnke wählt die Metapher eines Spiels, um das Fallbeispiel zu durchleuchten. Damit trennt sie sich von älteren Vorgaben, die sehr deutlich die passive Haltung der lokalen Gemeinschaften und die Übermacht des Weltsystems herausstellen. Es geht ihr darum, die Interessen der verschiedenen Akteure zu analysieren und wechselseitige Beeinflussungen festzuhalten, wobei sie auf Interviewdaten und Beobachtungen zurückgreifen kann, da sie selber an einem der ersten Workshops zur Einrichtung des Projektes in der Region teilgenommen hat.

Heft17


Gierse-Arsten nimmt sich in ihrer von Prof. Dr. Michael Bollig betreuten Magisterarbeit einer zurzeit in der Öffentlichkeit viel diskutierten Problematik an: der Umgang mit HIV/AIDS in den Gesellschaften des südlichen Afrika. Angesichts extrem hoher Infektionsraten (Namibia etwa 25% der Bevölkerung) stellt die HIV/AIDS Pandemie eine Bedrohung regionaler Ökonomien und Sozialsysteme dar. Erstaunlicherweise sind sozial- und kulturwissenschaftliche Arbeiten zu der Thematik immer noch sehr selten. Der von Frau Gierse-Arsten angesprochene Bereich "Religion/Kirchen ? HIV/AIDS" wurde bislang kaum behandelt und so sind folgerichtig die ersten Seiten der Arbeit den Ursachen dieser offensichtlichen wissenschaftlichen Vernachlässigung gewidmet. Frau Gierse-Arsten thematisiert in ihrer Arbeit vor allem den Umgang einer Pfingstkirche mit der HIV/AIDS Thematik. Pfingstkirchen sind in den letzten Jahren in Namibia wie im gesamten südlichen Afrika explosionsartig gewachsen: eine Entwicklung, die u.a. auch mit der Bedrohung durch die HIV/AIDS Pandemie erklärt wird, denn viele Pfingstkirchen versprechen bei Reue und entsprechendem Lebenswandel Heilung und/oder Schutz vor AIDS. Vor allem wird der Umgang der Laodecia Pentecostal Church in Outjo, einer nordnamibischen Kleinstadt, und in der Hauptstadt Windhoek mit der HIV/AIDS Pandemie vorgestellt. Dabei geht Gierse-Arsten vor allem auf Einstellungen zu Sexualität und den Glauben an Heilung ein. Die Arbeit von Frau Gierse-Arsten beruht auf zwei kürzeren Feldaufenthalten von insgesamt 14 Wochen in den Jahren 2001 und 2002. Sie hat in dieser Zeit beeindruckende Informationen zu einer sehr schwierigen Thematik gesammelt. In überzeugender Weise werden die anwendungsrelevanten Aspekte der Studie besonders sorgfältig besprochen. Überzeugend gelingt ihr hier ein Brückenschlag von wissenschaftlicher Diskussion zur Präventionspolitik.

Gierse-Arsten, Sonja : "Christ Crushes HIV-Crisis" Umgang namibischer Pfingstkirchen mit der HIV/AIDS Epidemie

Heft16

Die Ernährungsweise und das Essverhalten spiegelt nicht nur die Art und Weise wider, wie bio-physiologische Grundbedürfnisse abgedeckt werden, sondern geben weiterhin Aufschluss über soziale Strukturen, Normen und Werte und Verhaltensweisen. Wesentlich für den Bereich ethnologischer Untersuchungen ist jedoch die Tatsache, dass klassen- und gruppenspezifische Identitätsmerkmale durch Aufnahme unterschiedlicher Nahrungsmittel und unterschiedliche Formen des Essverhaltens zum Ausdruck kommen, wodurch diese Klassen- und/oder Gruppenidentität symbolisch vermittelt wird. Somit spiegeln sich dann auch ökonomische und gesellschaftliche Veränderungen in diesem Bereich wieder. Die drastischen und plötzlichen Veränderungen, so lautet die Arbeitshypothese von Frau Eulenstein, die sich 1990 durch die Wiedervereinigung Deutschlands in der ehemaligen DDR ergeben haben, sollten sich auch im veränderten Ernährungsverhalten zeigen. Weiterhin sollte in jüngerer Zeit, durch die zahlreichen Enttäuschungen und Probleme in der Beziehung zwischen den 'alten' und den 'neuen' Ländern, eine Rückbesinnung deutlich werden, die die lokalen und regionalen Identitäten zum Ausdruck bringen und als Teil einer neuen Abgrenzungstendenz gedeutet werden können. Diesen Ernährungswandel hat Frau Eulenstein in einer Gemeinde in Thüringen untersucht. In einer umfangreichen Befragung registrierte sie die Erinnerungen die die Menschen an die Ernährungssituation in der Nachkriegszeit bis hinein in die 50er Jahre hatten und die der Situation in der DDR bis zur Wiedervereinigung. Schließlich untersuchte sie die gegenwärtige Lage nach der 'Wende'. Wesentliches Ergebnis ihrer Arbeit bildet die Analyse der Veränderungen der Einstellung zur Nahrung und zum Nahrungsverhalten bei den Menschen in den Neuen Ländern in der relativ kurzen Phase zwischen dem 'Mauerfall und der Gegenwart. Hier zeigt sich deutlich, wie eine Rückbesinnung auf die traditionellen Vorstellungen über und Einstellungen zur Nahrung hand in hand gehen mit einem Erstarken des angeschlagenen Selbstbewusstseins und einer Identitätsfindung, die eine negative Pauschalisierung der Zustände in der vergangenen DDR ablehnt. Die kurz nach der Wende weitgehend verschwundenen und abgelehnten lokalen Produkte erfreuen sich nun wieder zunehmender Beliebtheit. Eine Etikettierung der Nahrungsmittel, die auf die thüringische Herkunft und die lokale Produktion der Nahrungsmittel hinweist hat ebenso zugenommen wie der Wunsch der Menschen diese Produkte nun wieder zu kaufen.

Heft15

Die von Prof. Dr. Michael Bollig betreute Magisterschrift von Bettina Ziess konzentriert sich auf der Grundlage empirischer Feldarbeit auf die Themenbereiche Ressourcennutzung und Bodenrecht und geht der Frage nach, inwiefern beide Bereiche durch nationale und internationale Programme der Entwicklungszusammenarbeit beeinflusst werden. Sie greift damit ein für das südliche Afrika gesellschaftlich außerordentlich relevantes Thema auf: Spätestens seit den Landbesetzungen in Zimbabwe sind auch internationale Medien auf die Landproblematik in den postkolonialen Gesellschaften des südlichen Afrika aufmerksam geworden. Im Zuge der kolonialen Siedlungpolitik wurde kommerzielles von kommunalem Farmland besitzrechtlich unterschieden sowie tribal definierte Siedlungsgebiete auf kommunalem Land eingerichtet. Dort bestimmten so genannte Traditionelle Autoritäten die Modalitäten von Nutzungs- und Zugangsrechten bezüglich der zentralen natürlichen Ressourcen. Gleichzeitig verloren indigene Gemeinschaften Zugangsrechte für Gebiete, die einem Naturpark zugeschlagen wurden. Die Nutzung der Ressource Wild war bereits in der frühen Kolonialzeit für ländliche Gemeinschaften stark eingeschränkt worden und wurde später schließlich ganz verboten. Durch die Verfassung von 1989 wurden in Namibia neue politische Rahmenbedingungen geschaffen, die unter anderem die Freiheit der Wohnortswahl im Grundgesetz festschrieben. Eine grundlegende Reform des kommunalen Landrechts konnte allerdings erst 2003 durchgesetzt werden. In diesem rechtlichen Zusammenhang wird ländlichen Gemeinden auf kommunalem Land auch die eigenständige Nutzung der Ressourcen Wild, Forst und Wasser ermöglicht. Die in der vorliegenden Magisterschrift behandelten Themen hängen eng mit den Modifikationen des Landrechts und der Dezentralisierung der Wild-, Forst- und Wasserwirtschaft in den ausgehenden 1990-er Jahren zusammen. Frau Ziess studiert diese Thematik auf der Mikroebene am Beispiel eines kleinen Ortes im Nordwesten Namibias - Omuramba. Die etwa 500 Einwohner des Dorfes leben von mobiler Viehhaltung: Während der Großteil des Haushaltes in der Ortschaft verbleibt, werden die Herden in der Regenzeit im unmittelbaren Umkreis der Ortschaft konzentriert, in der Trockenzeit aber von Teilen des Haushalts auf entlegene Weiden des montanen Umlands geführt. Es werden desweiteren Siedlungsgeschichte, Demographie und lokale Ökonomie Omurambas dargestellt und die Modalitäten der Nutzung der Schlüsselressourcen Weide, Wasser und Wild erörtert. Die für den raschen Wandel der Landrechtsordnung typischen Konflikte werden in einem abschließenden Kapitel dargestellt.


Ziess, Bettina : Weide, Wasser, Wild: Ressourcennutzung und Konfliktmanagement in einer Conservancy im Norden Namibias

Heft14

Thekla Hohmann greift in der von Prof. Dr. Michael Bollig betreuten Magisterarbeit ein zur Zeit im südlichen Afrika intensiv diskutiertes Thema auf: Wie lassen sich Naturschutz und lokale Entwicklung miteinander in Einklang bringen? Der autoritäre Kolonialstaat und der deutlich zentralisierte Nationalstaat der postkolonialen Ära hatten Naturschutz zur staatlichen Domäne erklärt. Die Bevölkerung in den zu schützenden Gebieten wurde häufig zwangsweise umgesiedelt, um so eine 'natürliche' Landschaft für den Bedarf westlicher Touristen zu schaffen. Die Gewinne aus solchen Schutzgebieten gingen an die Staatskasse und an einige private Tourismusunternehmen. Die durch die Schutzmaßnahmen geschädigte Bevölkerung (Landverlust etc.) wurden trotz häufig anders lautender Versprechungen nicht in Entwicklungsmaßnahmen einbezogen. Seit den 1980er Jahren jedoch suchen internationale und nationale Organisationen nach Wegen, nachhaltigen Naturschutz und lokale Entwicklung überzeugend miteinander zu verbinden. Als Fallbeispiel beschreibt Thekla Hohmann in ihrer Magisterarbeit die Gründung einer so genannten Conservancy im Norden Namibias. Hierbei tritt der namibische Staat, im Rahmen der sogenannten Community Based Natural Resource Management (CBNRM) Programme, Nutzungs- und Besitzrechte für definierte Flächen an bestimmte lokale Bevölkerungsgruppen ab. Um in den Genuß dieser Rechte zu gelangen, müssen sich die dörflichen Gemeinschaften in einem solchen Gebiet in einer Körperschaft (Conservancy) zusammenschließen und einen Management-Plan für die lokal verfügbaren Ressourcen ausarbeiten. Auf der Basis der von ihr erhobenen Daten stellt Thekla Hohmann die Entstehungsgeschichte der Conservancy im vormaligen Buschmannland West dar. Schwerpunktmäßig untersucht sie wie die Heterogenität der Bevölkerung ein kommunales Ressourcenmanagement in einer Region erschwert, die maßgeblich durch den südafrikanischen Apartheidsstaat geprägt wurde, denn in diesem Gebiet leben neben den bereits länger ansässigen Sangruppen seit den 70er Jahren auch San aus dem Süden Angolas, die in der südafrikanischen Armee arbeiteten, und darüber hinaus auch Migranten aus der Kavangoregion.

Heft13

Anne Schady thematisiert in ihrer durch Prof. Dr. Michael Bollig betreuten Magisterschrift den Umgang mit der HIV/AIDS Pandemie in Swaziland, einem südafrikanischen Kleinstaat, der in letzten Jahren durch extrem hohe Infektionsraten eine traurige Berühmtheit erlangte. Sie stellt die grundlegende Frage, wie angesichts der sehr umfassenden und kostspieligen Anti-AIDS Kampagnen erklärt werden kann, dass Infektionsraten weiterhin steigen. Der offensichtliche Misserfolg der Kampagnen wurde bislang unterschiedlich erklärt: Es wurde die schwache Position der Frau, die Persistenz traditioneller Beziehungsmuster aber auch die abnehmende Bindung traditioneller Normen angesprochen. Anne Schady geht einen anderen Weg: sie stellt die Frage inwieweit Anti-AIDS Kampagnen tatsächlich angemessen konzipiert sind. Mit 'Community Education' and 'Peer Education' greift sie zwei Schlüsselkonzepte der Anti-AIDS Kampagne kritisch auf. Die Arbeit beruht auf einer mehrmonatigen Feldarbeit, die Anne Schady als Praktikantin der GTZ in Swaziland, dann aber auch während ihres einjährigen Studienaufenthaltes an der University of Cape Town in Swaziland unternahm. Während dieser Zeit widmete sie sich vor allem der Arbeit einer Nicht- Regierungsorganisation (NRO), die in der Anti-AIDS Arbeit aktiv war. Theoretisch fußt Anne Schadys Arbeit auf der Ethnologie der Entwicklung, einer Richtung, die sich kritisch mit Strukturen und Inhalten der Entwicklungszusammenarbeit auseinandersetzt. Die von Schady untersuchte NRO ging Anfang der 1990er aus einem Projekt der Entwicklungszusammenarbeit hervorging, ohne dabei Organisationsform oder inhaltliche Orientierung wesentlich zu verändern. Schady stellt heraus, dass die NRO das vage Verständnis von dem, wer zu einer community gehört und was eine community konstituiert aus der Entwicklungszusammenarbeit übernimmt. Sie stellt fest, dass tatsächlich nur ein bestimmter Personenkreis auf den anberaumten Treffen zwischen community und NRO erscheint: In der Regel sind dies ältere, mit der traditionellen Autorität in Verbindung stehende Männer. Auch das Konzept peer education wird hinterfragt. De facto wissen die Mitarbeiter der NRO nicht, wer die peers sind und wie sie in der Gemeinschaft verankert sind mit denen sie zusammenarbeiten. Die Dekonstruktion der Begriffe erfolgt auf der Basis von Interviewmitschnitten und einer ausführlichen Analyse schriftlicher Dokumente.


Schady, Anne : "Community participation" and "peer education": a critique of key-concepts in HIV/AIDS prevention in Swaziland

Heft12

Dieser Text entstand im Jahr 2000 als eine durch Prof. Peter Tschohl betreute Magisterarbeit. Aus dem kleinen Pazifikstaat Fidschi wurden damals große Mengen Kava (Piper methysticum) nach Europa, Asien und in die USA exportiert. Die Kava-Pflanze oder yaqona, wie sie in Fidschi genannt wird, gehört zur Familie der Pfeffergewächse und spielt heute als Nutzpflanze in zweifacher Hinsicht eine Rolle: zum einen wird im Pazifikraum aus ihren Wurzeln ein Getränk zubereitet, zum anderen verwendet die Pharmaindustrie sie zur Herstellung von Sedativa. Die vorliegende Arbeit thematisiert die Strukturen des Lokalmarktes und der yaqona-Industrie in Fidschi, sowie die Veränderungen, die die plötzlich angestiegene internationale Nachfrage im Jahre 1998 mit sich brachte. Die Feldforschung fand unmittelbar nach der Hochphase der Kava-Exporte statt und fiel damit in einen Zeitraum, in dem sowohl die Regierung, als auch private Unternehmer und ausländische Investoren versuchten, die Produktion zu steigern und die internationale Vermarktung voranzutreiben. Nach Abschluß der Arbeit verzeichnete man in Fidschi und den anderen betreffenden Pazifikstaaten jedoch einen starken Rückgang der Exporte, letztlich ausgelöst durch deutsche Pharmakologen, die den Kava-Medikamenten eine leberschädigende Wirkung zusprachen. Die Kava produzierenden Pazifikstaaten bemühen sich derzeit um eine Rehabilitierung der Kava-Pflanze auf dem pharmazeutischen Markt. Sollte dies gelingen, ist zu hoffen, daß bei einer zukünftigen Entwicklung des Kava-Marktes die vom Autor herausgearbeiteten Aspekte zu einer nachhaltig angelegten und sozial verträglichen Produktionssteigerung Berücksichtigung finden.


Ellerich, Sebastian T. : Der Yaqona-Markt in Fidschi: Zustand, Probleme, Bemühungen

Heft11

Frau Natascha Garvin Barba hat im Rahmen ihrer Feldforschung für die Magisterarbeit in Guatemala ein Thema gewählt, das in zwei zentrale Gegenstandsbereiche der Ethnologie eingebettet ist: In die Rechtsethnologie und die Politische Ethnologie, aus denen sie einige Schlüsselkonzepte in ihrem einleitenden theoretischen Kapitel kritisch darstellt, insbesondere das des Rechtspluralismus. Nach der notwendigen Beschreibung der regionalen Gegebenheiten und der Forschungssituation stellt sie die Gemeinde vor, in der sie ihre Untersuchung durchgeführt hat, diskutiert das Rechtssystem der Maya Guatemalas und führt uns durch den Wandel, den die Institutionen lokaler Autoritäten von der prä-hispanischen Epoche bis in die Gegenwart durchlaufen haben. Hierbei bleibt auch der aktuelle soziopolitische Kontext in Guatemala nicht unberücksichtigt, insbesondere die Maya-Bewegungen und ihre Bestrebungen hinsichtlich einer Revitalisierung der indigenen Kultur sowie die nationale Diskussion über Dezentralisierung und Justizreformen. Die Frage nach der Verankerung der Corporación Auxiliar Pueblo Viejos in der indigenen Kultur und ihre gleichzeitige Einbettung ins nationale Verwaltungs- und Justizsystem bildet den zentralen Gegenstand des empirischen Teils der Arbeit, der auf einer breiten Basis äußerst sorgfältig ausgewerteter qualitativer und quantitativer Daten beruht. Im einzelnen werden Organisation, interne Struktur und Funktionen der Corporación Auxiliar geschildert, wobei ein besonderes Augenmerk der Rolle gilt, die die Corporación Auxiliar bei der Lösung von Konflikten innerhalb der Dorfgemeinschaft spielt. Diese Rolle wird auf eindrucksvolle Weise mit Hilfe detaillierter Fallbeschreibungen, einer Typologie der auftretenden Konflikte und einer Analyse der Häufigkeiten der einzelnen Konflikttypen untersucht. Neben Funktionen und Organisation der Corporación Auxiliar wird dargestellt, wie der Alcalde Auxiliar und seine Mitarbeiter zu ihren Ämtern gelangen, und welche Kriterien Amtsträger erfüllen müssen. Hier findet sich ein sehr interessantes Beispiel für eine Regelung, mit deren Hilfe die Erfüllung kultureller Normen und der Umgang mit praktischen Notwendigkeiten miteinander verbunden werden. Darüber hinaus wird die Einbettung der Corporación Auxiliar in die lokale Autoritätsstruktur sowie die Stellung der Corporación innerhalb der Dorfgemeinschaft diskutiert. Als letzter Teil der Arbeit folgt schließlich die Analyse des Einflusses der staatlichen Verwaltung und des nationalen Justizsystems auf die Corporación Auxiliar in Pueblo Viejo, wodurch der Bezug zu der im theoretischen Teil diskutierten Thematik des Rechtspluralismus deutlich wird.


Garvin, Natascha : "La vara es recta, no es torcida": Der Alcalde Auxiliar als lokale Autorität in einer indigenen Gemeinde Guatemalas

Heft10

Tobias Schmidtner verbindet in seiner durch Prof. Dr. Michael Bollig betreuten Magisterschrift ein zentrales theoretisches Anliegen der modernen Wirtschaftsethnologie mit einer innovativen, auf Empirie basierenden Anwendung. In einer achtwöchigen Feldarbeit untersuchte er die Probleme des Ressourcenmanagements in einer Gruppe illegal arbeitender small miners. Dies sind Personen, die Bodenschätze - in diesem Falle Halbedelsteine, vor allem Turmaline - mit zumeist sehr geringem Kapitalaufwand schürfen. Angesichts eklatanter Armut in den ländlichen Regionen des ariden namibianischen Westens ist diese prekäre Form der Ressourcennutzung durchaus häufig. Die von Schmidtner untersuchte Gemeinschaft von etwa 350 Menschen nutzt dabei Teile der kommerziellen Farm 'Neuschwaben'. Ihre Behausungen haben die small miners auf den Seitenstreifen einer öffentlichen Strasse ? also auf staatlichem Land ? unter Duldung der lokalen Behörden angelegt. Mit dem Farmer wurde ein modus vivendi gefunden: die small miners dürfen an einer bestimmten Stelle der Farm nach Edelsteinen graben, sichern aber im Gegenzug zu, dass Mitglieder der Gruppe von Viehdiebstahl und Wilderei ablassen. Die Gruppe der small miners ist multiethnisch zusammengesetzt, wobei es sich zumeist um sehr arme Personen handelt. Die begehrte Ressource Turmalin ist in ihrem Vorkommen nicht voraussagbar. Funde sind Glückssache und auch jahrelange Erfahrung in dem Gewerbe schützt offenbar nicht vor jahrelangen Misserfolgen. Schmidtner stellt nun die theoretisch interessante Frage, wie in einer solchen Gemeinschaft Ordnung erzeugt wird: Wie schützen die small miners ihren Besitz und wie stellen sie sicher, dass nach einem glücklichen Fund oder während ihrer Abwesenheit nicht andere ihre mit viel Mühe ausgehobene Grube nutzen? Wie regeln sie interne Konflikte und wie gehen sie mit externen Autoritäten um? Die Kollektivgut-problematik wird hier gleich mehrfach angesprochen: die Emergenz von Normen sowie die Kontrolle von Regeln stellen zentrale Probleme der Arbeit dar. Schmidtner gelingt es in seiner Arbeit ausgezeichnet, theoretisches Anliegen und Empirie miteinander zu verbinden.


Schmidtner, Tobias : Ressourcenmanagement und kollektives Handeln: Wirtschaft und soziale Organisation bei einer Gemeinschaft namibianischer small miners in der Erongo-Region

Heft09

Henrica van der Behrens Arbeit, die von Prof. Michael Bollig betreut wurde, ist im weiteren Kontext der Forschungsarbeiten des Sonderforschungsbereichs 389 'Kultur- und Landschaftswandel im ariden Afrika' angesiedelt. Sie thematisiert die Bedeutung und Praxis des Bodenbaus bei den Himba, einer pastoralnomadischen Gruppe in Nordwest-Namibia. Da in der Literatur für fast alle pastoralnomadischen Gruppen Afrikas nur von marginalem Bodenbau berichtet wird, erscheint die wissenschaftliche Beschäftigung mit dieser Thematik eher randständig. Ethnologen beschäftigten sich in der Regel mit der ökonomisch insgesamt wohl bedeutsameren, vor allem aber symbolisch und ideologisch aufgeladenen mobilen Viehhaltung. Van der Behrens thematisiert dieses systematisch vernachlässigte Forschungsthema und vermutet, dass ein Hauptgrund für die Vernachlässigung darin liegt, dass Bodenbau in pastoralnomadischen Gruppen fast durchgehend von Frauen betrieben wird und die zumeist männlichen Informanten der oft männlichen Ethnologen diesen Bereich der Ökonomie kaum kompetent beschreiben können. So wurde auch der Gartenbau im ariden Nordwesten Namibias, der vor allem betrieben wird, um in der Trockenzeit möglichst wenig Vieh für Mais eintauschen zu müssen, kaum behandelt. Die Arbeit von van der Behrens, die auf einer kurzen, dreimonatigen Feldarbeit beruht, macht hier erste Ansätze diese Lücke zu schließen. Zunächst wird die Lage der Gärten, die meist auf den Alluvialen entlang von Flussläufen angelegt sind, beschrieben. Regenzeitgärten werden mit den ersten Niederschlägen der Saison angelegt und zu Beginn der Trockenzeit abgeerntet. Trockenzeitgärten hingegen werden ausschließlich entlang des perennierenden Flusses Kunene auf Flächen angelegt, die durch den Rückgang der alljährlichen Regenzeitüberflutungen freigelegt werden. Auf diese Weise kann bis weit in die Trockenzeit hinein gepflanzt werden. Die Himba verfügen offenbar über kein festgelegtes institutionelles System für den Gartenbau. Informanten äußerten unterschiedliche Meinungen, wer als Besitzer (als Besitzerin) eines Gartens anzusehen sei. Einige argumentierten zugunsten des Haushaltsvorstandes, da dieser meist die notwendige und sehr aufwendige Arbeit des Umzäunens zahlt, andere plädierten für die Frauen, da diese ihre Arbeitskraft in das Land investieren. Entscheidend ist wohl der eheliche Status der Frau: während bei verheirateten Frauen meist der Ehemann als Besitzer genannt wird, werden unverheiratete bzw. geschiedene Frauen als Besitzer angegeben.

Heft08

Wesentliche Teilgebiete ethnologischer Forschungen umfassen Untersuchungen zu Festen und Ritualen sowie den Gegenstandsbereich des kulturellen Wandels. Während Untersuchungen zum Thema 'Kulturwandel' mit den Methoden der Feldforschungen bei schriftlosen Kulturen zumeist dadurch erschwert werden, dass die Wiederholung einer Forschung nach einem langen Zeitraum oft nur schwer durchführbar ist, haben wir bei Schriftkulturen die Möglichkeit einer Untersuchung auch nachdem ein langer Zeitraum verstrichen ist. Im Bereich der Theorien zum Thema Ritualforschung sind zahlreiche Funktionen von Festen und Ritualen formuliert worden. Unter ihnen kommen denen, die eine gruppenbindenden Funktion haben und die einen gesellschaftlichen Konsensus (oder negativ ausgedrückt eine Gleichschaltung) schaffen, eine zentrale Bedeutung zu. So liegt nichts näher als den Wandel der Festbräuche und Rituale zu untersuchen, wie er in den Jahren 1933 bis 1945 in Deutschland zu beobachten war und es erstaunt, dass bisher kaum Publikationen zu diesem Thema auffindbar sind. Waren die meisten Rituale und Feste in Deutschland vor 1933 vor allem mit mehr oder weniger christlich-religiösen Inhalten bzw. Botschaften angefüllt, so versuchte man in der Zeit nach der Machtübernahme durch die Nazionalsozialisten eine Umstrukturierung und Umdeutung, indem man die Inhalte, zumeist unter Zuhilfenahme fiktiver 'germanischer' Bräuche und Vorstellungen, ganz auf den Führerkult und die zentralen, durch die Ideologie der Nazionalsozialisten vorgegebenen Symbole und Inhalte, zuschnitt. Diese Annahme ist auf hervorragende Weise von Cornelius bestätigt worden, indem sie eine Fülle an Material, sowohl aus Zeitungen der Zeit, aus offiziellen Dokumenten, die sie in den Archiven sichtete und aus der vorhandenen Literatur zum Thema aus den Jahren 1933 bis 1945 bearbeitete, die sie sorgfältig auswertete und einer umfassenden Analyse unterzog. Ihre Arbeit gliedert sich in vier Teile: In der Einleitung stellt sie den Forschungsgegenstand dar, beschreibt die Zielsetzung der Arbeit und gibt Auskunft über die Qellenlage. Im zweiten Kapitel mit dem Thema 'Strukturen der Entwicklung einer Festtagskultur in den Jahren 1933 bis 1945' werden die Vorbilder beschrieben, die maßgeblichen Einfluss auf diese Entwicklung der Veränderungen hatten, wie sie dann in den folgenden Kapiteln beschrieben werden. Des weiteren gibt sie einen Überblick über die Institutionen, die für die Planungen und Umstrukturierungen der "neuen" Feste und Kulte zuständig waren. Das dritte Kapitel ist weitgehend theoretischer Natur, in dem Cornelius die Begrifflichkeiten, die sie für ihre Analyse benötigt (Mythos, Legende, Brauch etc.) definiert und diskutiert. Im folgenden vierten Kapitel wird nun der '?Braune Kult?: nationalsozialistische Festbräuche und Rituale' im Einzelnen beschrieben und die Transformationen dargestellt und analysiert, die diese Feste und Rituale erfahren haben. In einem mit großer Klarheit verfassten und überzeugend argumentierenden Fazit werden abschließend die Ergebnisse zusammengefasst und diskutiert.


Cornelius, Nadja : Genese und Wandel von Festbräuchen und Ritualen in Deutschland von 1933 bis 1945

Heft07

Die von Liebelt vorgelegte Magisterarbeit wurde im Rahmen des vom BMBF finanzierten Projektes 'Integratives Management-Projekt für einen Effizienten und Tragfähigen Umgang mit Süßwasser in Westafrika' (IMPETUS) angefertigt. Ihre Feldforschungen, die im Gebiet des Unterlaufs des Dra im Süden Marokkos durchgeführt wurden, behandeln die Probleme der Wasserverteilung und des Zugangs zum Wasser wie sie durch lokale und staatliche Institutionen geregelt werden. Als Ausgangspunkt für die Analyse dient die Darstellung der kolonialen und nationalen Wasserpolitik Marokkos und die Schilderung der sozialen und politischen Strukturen im unteren Dratal, schwerpunktmäßig nach der Unabhängigkeit im Jahre 1956, das in extremer Weise von immer wiederkehrenden Dürren betroffen ist. Vor dem Hintergrund der Schilderung der geographischen, klimatischen und hydrologischen Rahmenbedingungen werden die unterschiedlichen traditionellen Formen der Bewässerungstechnik und der Wasserverteilung, sowie die Tradition der kommunal verwalteten und verteidigten Kanäle (suagi) geschildert. Nach Schilderung dieser allgemeineren Rahmenbedingungen wird dann eine detaillierte Analyse der Situation einer Dorfgemeinschaft, die sich um einen traditionellen Bewässerungskanal (segia) gruppiert, vorgestellt. Hier werden die soziale und politische Organisation der Gemeinschaft detailliert beschrieben, die landwirtschaftlichen Besitzverhältnisse analysiert und die Entstehungsgeschichte der segia Arnou dargestellt, um dann die Veränderungen zu schildern, die sich durch die Gründung einer staatlichen Organisation zur Kontrolle der knappen Ressource Wasser, der Association d?Usagers d?Eau Agricole (AUEA) ergeben haben. Die Untersuchung der gegenwärtigen, sich verändernden Situation macht die Spannungen deutlich, die durch die Modernisierungsbestrebungen der Wasserwirtschaft des Staates entstanden sind. Wirtschaftliche und sozio-politische Organisationsformen haben sich drastisch verändert, Geldwirtschaft gewinnt an Bedeutung und in verstärktem Maße werden die an Besitz und Reichtum orientierten Klassenunterschiede, die mit einer zunehmenden Individualisierung Hand in Hand gehen, das traditionelle soziale Gefüge weiter verändern.


Liebelt, Claudia : Die Wasserwirtschaft im südmarokkanischen Dratal im Spannungsfeld von lokaler und staatlicher Ressourcenkontrolle

Heft06

Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion sind für Ethnologen die sozio-ökonomischen Transformationsprozesse in den einzelnen Regionen von besonderem Interesse. In vielen autonomen Teilrepubliken waren die jahrhundertealten Strategien des Umgangs mit knappen Ressourcen durch zentralisierte und vereinheitlichte Verordnungen, oft der Verstaatlichung, abgelöst worden wie sie die Theorien des Marxismus-Leninismus gefordert hatten. Dies führte zum Zusammenbruch oder zur Veränderung zahlreicher 'traditioneller' kulturspezifischer Wirtschaftstraditionen - nicht zuletzt bei all denjenigen Völkern bei denen eine mobile Weidewirtschaft das Leben gesichert hatte. Die zentralistische Steuerung mit ihren Institutionen brachte für diese Völker nicht nur Vorteile, wie eine besserer Versorgung im Krankheitsfalle, Schulen und einen geregelten Absatz für ihre Produkte. Viele der neuen Verordnungen brachten auch Nachteile für die Herdenhalter. Beispielsweise führten die Einschränkungen der traditionell flexiblen Mobilitätsmuster und ökonomischen Strategien, die als Anpassungen an die klimatischen Schwankungen und damit regionalen Fluktuationen der Weidequalität gesehen werden können nicht selten zur Degradation weiter Gebiete. Des weiteren waren in vielen dieser Regionen Bodenschätze gefunden worden deren Abbau, zumeist ohne Rücksicht auf den Lebensraum der dort ansässigen Menschen, betrieben wurde. Dies führte besonders in den nordwestlichen sibirischen Republiken, mit ihren große Ölvorkommen, zu katastrophalen Veränderungen der Umwelt was den dort lebenden rentiethaltenden sowie sammelnden und jagenden Völkern das Überleben erschwerte. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hatten nun viele dieser Völker die Möglichkeit sich neue zu organisieren; sie konnten sich bemühen einige der Institutionen wieder zu beleben, die früher von Vorteil waren und weiterhin auch den Versuch unternehmen all diejenigen neuen Institutionen beizubehalten, die sich als zweckmäßig erwiesen hatten. Für die Khanti und Nenzen der nordwestsibirischen Regionen der Jamal Halbinsel mit ihren Ölvorkommen entstanden daher neben den Problemen einer extremen Umweltverschmutzung und -vergiftung durch die unsachgemäße Förderung des Erdöls nun zusätzlich, durch den raschen Verfall der Ökonomie Rußlands und der Abschaffung der sozialistischen Institutionen auch die Probleme der Anpassung an die Entwicklung hin zu einer Marktwirtschaft. Die Arbeit von Stammler, der sich in mehreren Reisen mit diesen Transformationen beschäftigt hat beschreibt dieses Probleme vor dem Hintergrund der Geschichte und der 'traditionellen' Ökonomie der Rentierzüchter und analysiert dann auf der Basis moderner Transformationstheorien die rezenten Geschehnisse. Die ersten Kapitel führen in die Geschichte der Region und das Leben der Khanti und Nenzen ein, befassen sich mit ihren Sprachen, ihre soziale und politische Organisation, sowie mit ihren wichtigsten wirtschaftlich Aktivitäten. Weiterhin werden die administrative Gliederung und die Bedeutung des Gebietes für die Gesamtwirtschaft Rußlands dargestellt. Der zentrale Teil der Arbeit beschreibt dann die unterschiedlichen Formen der Landnutzung der beiden Gruppen, um dann die Auswirkungen der Industrialisierung auf die beiden Völker zu schildern. Weiterhin stellt die Arbeit als eine der ersten die Transformationsprozesse in einer nordwestsibirischen Region nach der Auflösung der Sowjetrepublik dar in der nach der Privatisierung sowohl die wirtschaftlichen Strategien als auch die der Vermarktung, die bisher staatlich organisiert worden war, nun in Eigenverantwortung durchgeführt werden muss.


Stammler, Florian : Überlebensstrategien im postsozialistischen Russland: Das Beispiel der rentierzüchtenden Chanty und Nentsy in Nordwestsibirien

Heft05

Diese Studie liefert einen aktuellen Beitrag zur Migrationsdebatte. Europaweit werden seit Jahren verschiedenste politische Lösungen für einen Umgang mit Menschen ohne gültige Aufenthaltspapiere (sans papiers) erprobt. Am Beispiel der französischen Immigrationspolitik wird gezeigt, welche Konsequenzen das restriktive politische Modell auf den Alltag von Migranten in Pariser Wohnheimen (Foyers) hat. Bis heute fristen dort zahlreiche Arbeiter, die durch das engmeschige Netz der Teil-Regularisierungen fielen, als "Papierlose" ein marginalisiertes Schattendasein. Während in Frankreich zahlreiche Arbeiten zur Foyer-Thematik vorliegen, blieb der Fokus "Sans papiers in Foyers" bislang unbeachtet. Durch Anwendung kognitionsethnologischer Verfahren wird damit ein neuer Blickwinkel auf die Lebenssituation afrikanischer Arbeiter in der Diaspora eröffnet: Identifiziert werden nicht nur Identitätskrisen bei den direkt Betroffenen, sondern es wird auch dargestellt, wie ihre politische Illegalisierung soziale Kohäsion im Innern der Wohngemeinschaften schwächt. Dabei entstehen neue Konfliktarenen, deren Auswirkungen bis in die afrikanischen Heimatdörfer reichen. Dies geschieht z.B. auf struktureller und finanzieller Ebene, da die Sans Papiers über keine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis verfügen und somit durch etablierte Solidaritätsmechanismen von der Gruppe getragen werden müssen. Solche Ergebnisse rücken interne Foyerstrukturen in ein neues Licht und liefern Anknüpfungspunkte für weitere wissenschaftliche Untersuchungen.


Hadjer, Kerstin : Illegalisierte Identitäten Auswirkungen der Sans Papiers-Problematik auf den Alltag afrikanischer Migranten in Pariser Wohnheimen (Foyers)

Heft04

Die Ethnologie mit ihren Gegenstandsbereichen, Theorien und Methoden etabliert sich zunehmend als eine, auch auf Fragestellungen im europäischen Raum/Deutschland, anwendbare Disziplin. Dies umso mehr, als hier Probleme des multikulturellen Zusammenlebens auf Dauer zu lösen sind. Die vorliegende Arbeit untersucht ein relatives neues Phänomen und damit auch ein wissenschaftlich noch wenig bearbeitetes Thema: den Moscheebau in Deutschland, der hier am Beispiel des Baus in Köln- Chorweiler untersucht wurde und der sehr kontrovers und emotional diskutiert wird. Die Arbeit, die von Herrn PD Dr. Erwin Orywal betreut wurde, möchte aus wissenschaftlicher Perspektive einen Beitrag zu diesem Diskurs leisten. In Köln finden zurzeit zwei Moscheebau-Diskussionen statt: die um eine Moschee in Chorweiler und um eine Zentralmoschee in Köln. Es sei angemerkt, dass die Planungen und Diskussionen noch nicht vollständig abgeschlossen sind weshalb die aktuellen Entwicklungen nicht mehr berücksichtigt werden konnten. Durch Gespräche mit den verschiedenen Akteuren und einer Befragung in der Kölner Bevölkerung versucht Fuchs, die verschiedenen Positionen der Diskursteilnehmer darzustellen. Ethnologischer Untersuchungsschwerpunkt sind die wirksam werdenden Ethnizitätskategorien, d.h. die Selbst- und Fremdzuschreibungen sowie die situativen Umstände, die auf die Einstellungen zum Moscheebau, insbesondere der Akzeptanz eines Kuppel- und eines Minarett-Baus einwirken.

Heft03

Hilgers untersucht die wirtschaftlichen Probleme, die durch die Umbruchsituation nach dem Zerfall der ehemaligen UdSSR in einer dörflichen Gemeinschaft entstanden sind, und die unterschiedlichen Strategien, mit denen die einzelnen Haushalte versuchen, ihre missliche Situation zu verbessern. Nach einer kritischen Darstellung der von verschiedenen Autoren ausgearbeiteten "Theorie der Transformation", die sich besonders mit der Situation des Kulturwandels in postsozialischischen Staaten beschäftigt, stellt sie die historischen Entwicklungen der Region (bis 1917) dar, gefolgt von der Schilderung der sowjetischen Zeit (1917-1991) mit ihrem sozio-politischen Wandel. Sie konzentriert sich dann ganz auf die Situation der einzelnen Haushalte in dem Dorf Sari Tologhoi nach 1991. Geteilt in die beiden wesentlichen Komponenten der Wirtschaft des Dorfes, der Land- und der Viehwirtschaft, stellt sie verschiedene Strategien einzelner Haushalte dar, mittels derer sich die Dorfbewohner bemühen, ihre Wirschaft zu organisieren. Hierbei gibt es sowohl zum einen die Strategie in der bekannten Weise der kooperativen Zusammenschlüsse (Dorf- und Bauernkooperativen aus sozialistischer Zeit) zu wirtschaften, als auch Bemühungen einzelner Haushalte, ihre Ökonomie unabhängig zu gestalten. Das Gelingen aber auch Scheitern der unterschiedlichen Versuche und Unternehmungen wird hier in eindrucksvoller Weise geschildert. Ein weiterer Teilaspekt des Wirtschaftens betrifft die recht unterschiedlichen Strategien der Vermarktung der Produkte, wobei phantasievolle Ketten von Zwischenhändler- und Vertriebsstrukturen entstanden sind. Weiterhin kommt den Verwandtschafts- und Freundschaftsnetzwerken, die nun aktiviert werden, eine grosse Bedeutung für die Organisation des Handels und für die gegenseitige wirtschaftliche und soziale Absicherung zu. Die Arbeit basiert auf einem qualitativen - oft auch quantitativen Datenmaterial, das mit großer Sorgfalt ausgewertet wurde und durch eine klare deskriptive und analytische Darstellungen der Situation im Transformationsprozeß überzeugt.


Hilgers, Irene : Transformationsprozess im Norden Kirgistans : Sozio-ökonomischer Wandel am Beispiel eines Dorfes

Heft02

Diese Arbeit behandelt schwerpunktmäßig das medizinische Wissen der Baka, einer vor nicht allzu langer Zeit weitgehend vom Sammeln und der Jagd lebenden "Pygmäen"-Gruppe im südlichen Kamerun. Weiterhin beschäftigt sie sich mit dem Problem des Erhalts der Biodiversität und dem Schutz großer Urwaldgebiete in der Region sowie mit der Problematik der Integration der Baka in ein geplantes Naturschutzgebiet. In den ersten Kapiteln werden die Zusammenhängevon Medizin und Artenschutz erläutert, Konzepte der ethnomedizinischen Forschung und ihrer Anwendungsbereiche diskutiert, sowie Informationen zur Geographie und Ökologie Kameruns gegeben. Die allogenen und autochonen Bevölkerungen werden vorgestellt und Informationen zur Gefährdung der Waldgebiete durch Holzeinschlag mitgeteilt. Der Hauptteil der Arbeit mit den Ergebnissen der Feldforschung beginnt mit einer Analyse der Krankheitskonzepte der Baka, wobei deren Vorstellungen über Krankheitsverursachung und die unterschiedlichen Typen der Heiler beschrieben werden. Dem folgt eine Darstellung der emischen Systematik der Krankheitsursachen, um schließlich über die Themenbereiche "Krankheitsempfinden und Krankheitsverständnis" zur Diagnose und "Therapie und Prävention" überzuleiten.


Wieckhorst, Annika : Die Verwendung von Pflanzen in der traditionellen Medizin bei drei Baka Gruppen in Südost Kamerun

Heft01

Neben allgemeinen Hintergrundinformationen über den See und seine Fischer, liefert Naefe die Beschreibung der "traditionellen" Wirtschaftsform des Fischens mit diesen Vögeln und legt damit die wohl einzige umfassendere Arbeit über die Kormoran-fischende Gruppe der Bai auf dem Erhai-See der Provinz Yunnan (im Südwesten Chinas) vor. Der zweite Teil der Arbeit konzentriert sich auf den Kulturwandel, dem die Gruppe unterworfen ist. Er schildert die Ursachen durch welche der Wirtschaftszweig nun allmählich zum Erliegen kommt und warum besonders die junge Generation mehrheitlich andere Berufe anstrebt. Der sozio-politische und ökonomische Wandel auf der Makroebene, die zunehmende Eutrophierung des Gewässers und die damit zusammmenhängenden abnehmenden Fangmengen, die Konkurrenz zu den Netzfischern - all dies schmälert die Verdienstmöglichkeiten der Kormoranfischer. So wird auf dem Erhai, wie bereits auf den meisten anderen Gewässern Chinas geschehen, die Kormoranfischerei in naher Zukunft nur noch wenige Familien ernähren, die als Attraktion für den zunehmenden Tourismus dienen.


Naefe, Babet : Die Kormoranfischer vom Erhai-See : Eine südwest-chinesische Wirtschaftsweise im Wandel